Rembrandt und Mahler für Kids

Kulturvermittler bringen Kindern Mahlers Musik in Gestalt des Komponisten und dessen Muse näher.
Kulturvermittler bringen Kindern Mahlers Musik in Gestalt des Komponisten und dessen Muse näher.(c) Dimo Dimov
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Kleine für Kunst und Kultur zu begeistern, das können die Großen lernen.

Wenn Marko Simsa die Bühne des Musikvereins betritt, dann meist, um Kindern und Jugendlichen die Welt der klassischen Musik näherzubringen. Dafür gibt es in Wien eine Reihe an Programmen. Etwa im Wiener Musikverein, der heuer 30 Jahre Kinder- und Jugendprojekte feiert. Simsa ist Stammgast im berühmten Haus. Der Musikvermittler entführt Kinder als Moderator und Erzähler schon lang in die Welten von Mendelssohn und Mozart. Und tut dies mit Begeisterung. Wenn er zum Beispiel bei Prokofieffs „Peter und der Wolf“ erzählt, wie die Oboe quakt oder Querflöten wie Vögel zwitschern, zieht er das junge Publikum in seinen Bann. „Kinder haben keine vorgefertigten Meinungen, sie sind offen, neugierig und spontan“, weiß Simsa.

Mahler selbst erklärt die Musik

Ob es schwierig ist, Kinder im digitalen Zeitalter für Musik und Theater zu begeistern? „Kinder sind nur dann ein schwieriges Publikum, wenn du keinen direkten Zugang zu ihnen hast, nicht gewohnt bist, dass du die Reaktionen sofort bekommst, und nicht gut bist in deinem Metier“, erwidert Simsa.

An der Linzer Anton-Bruckner-Universität leitet Constanze Wimmer den Universitätslehrgang Musikvermittlung. Hier lernen ausgebildete Musiker, mit Gruppen zu improvisieren, zu moderieren, aber ebenso, richtig zu sprechen. Ziel ist auch, umzudenken, und zwar abseits von klassischen Aufführungssituationen wie einer Frontalbühne. Kinder und Jugendliche sollen laut Wimmer durchaus auch dazu animiert werden, im Laufe eines Aufführungsabends ihre Positionen zu wechseln, anstatt in starrer Pose zu verharren.

Dabei mache es wenig Unterschied, ob das Publikum jung oder alt sei. „Es gibt kein Patentrezept. Jede Musik kann auch für Kinder aufbereitet werden. Es muss einfach stimmig sein.“

Vorbildlich sei die Arbeit der Tonkünstler Niederösterreich. Sie haben im Januar Mahlers 1. Sinfonie für Volksschulkinder aufgeführt. Dabei stand Gustav Mahler selbst auf der Bühne und führte durch den Abend, Alma Mahler war Konzertmeisterin des Tonkünstler-Orchesters. Die Geschichte eines Menschen, der hofft, ein Titan zu werden, wurde eine spannend aufbereitete „Coming of age“-Geschichte, bei der die Kinder die gesamte Mahler-Sinfonie zu hören bekamen.

Musikvermittlung zählt zum weiten Feld der Kulturvermittlung. Neben den Vermittlungsangeboten kultureller Institutionen, wie Führungen, Workshops oder Einführungen der Theater- und Tanzbühnen, der Konzerthäuser oder des Literaturbetriebs, zählen das Unterrichten künstlerischer Schulfächer, Theaterpädagogik oder Projekte mit Künstlern in Schulen zur Kulturvermittlung.

Mit Kindern ins Museum

Museumsbesuch mit Kindern – das bedeutet oft gelangweilte Gesichter, nervöses Gezappel, wiederholte Blicke aufs Handydisplay. Kinder für Rembrandt, Richter und Co. zu begeistern kann eine große Herausforderung sein.

Speziell für Lehrer bietet die Pädagogische Hochschule (PH) Niederösterreich daher zwei Hochschullehrgänge im Bereich der Kulturpädagogik an: den Lehrgang Kulturpädagogik und den Lehrgang Kulturelle Bildung in und mit Museen. Hier lernen Lehrer aller Schulformen und Unterrichtsfächer, ihren Schülern Zugänge zu Musik, Literatur, bildender Kunst und Architektur zu vermitteln. Die Teilnehmer erhalten Einblicke in Institutionen wie das Mumok oder das Kunsthistorische Museum und lernen die Methoden und Ideen der Vermittlungsarbeit. „Das Wichtigste ist, Kindern im Unterricht Abwechslung zu bieten. Deshalb sollen die Lehrer an sich selbst in den Seminaren die Wirksamkeit verschiedener Vermittlungsmethoden ausprobieren. Das reicht von Filmproduktion mit Handykamera bis zu Seminaren für kreatives Schreiben“, sagt Ingrid Krottendorfer, die Leiterin der Hochschullehrgänge.

Die Kunsthistorikerin Andrea Zsutty leitet im Bank Austria Kunstforum die Abteilung Kunstvermittlung und am Institut für Kulturkonzepte den Zertifikatskurs Kulturvermittlung. Hier lernen Teilnehmer, geeignete Programme für unterschiedliche Zielgruppen zu konzipieren, durchzuführen und zu koordinieren. Zwölf Monate dauert der Lehrgang, Teilnehmer wählen Seminare aus einem Portfolio: darunter Kultursponsoring, Projektplanung oder mediale Kulturvermittlung. Wie Inhalte Kindern und Jugendlichen vermittelt werden können, zeigten vor allem Kinder- und Jugendmuseen, meint Zsutty – als soziale Orte, an denen Begegnungen und Kommunikation stattfinden. „Erst das direkte Erleben macht Kunst interessant und zugänglich“, weiß Zsutty. Vor allem Spiel- und Experimentierstationen, begreif- und begehbare Objekte und künstlerische Installationen würden dem „Hands-on-Bedürfnis“ der Kinder entsprechen.

Im Zeitalter digitaler Medien hat es den Anschein, als würden Kinder und Jugendliche nur schwer von ihren Smartphones wegzubekommen sein.

Digitale Medien: Pro und kontra

Zsutty spricht sich dafür aus, auch digitale Medien in der Kulturvermittlung einzusetzen: „Digitale Medien sind Teil der Alltagskultur von Kindern und Jugendlichen. Dem muss auch in der Kulturvermittlung Rechnung getragen werden.“ Constanze Wimmer widerspricht: Zwar gebe es vor allem im Workshop-Bereich Ansätze, um Kinder mit digitalen Medien zu erreichen, aber: „Kinder sind heute genauso Kinder wie früher und lieben es, einfach einmal 60 Minuten im Moment zu sein. Ohne digitale Ablenkung.“ Auch Simsa ist Wimmers Meinung: „Kinder lassen sich – heute wie früher – sehr gern von echten Menschen spannende Geschichten erzählen.“

INFORMATION

Lehrgänge und Links (Auswahl):

Kulturpädagogik, Kulturelle Bildung in und mit Museen www.ph-noe.ac.at

Zertifikatslehrgang Kulturvermittlung www.kulturkonzepte.at

Literaturvermittlung

www.kinderbuchhaus.at

Musikvermittlung – Musik im Kontext www.bruckneruni.at

Musiktheatervermittlung

www.uni-mozarteum.at

Musik und Kunst www.muk.ac.at

Kulturvermittlung www.noemuseen.at

Theaterpädagogikwww.ifant.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2019)

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