Neue Konfrontation an Israels Grenze zu Gaza

Militante Palästinenser haben rund 90 Raketen aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abgefeuert
Militante Palästinenser haben rund 90 Raketen aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abgefeuertAPA/AFP/MAHMUD HAMS
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Die israelische Armee meldete, dass 450 Geschoße vom Gazastreifen aus auf Israel abgefeuert wurden. Das Militär reagierte nach eigenen Angaben mit rund 220 Vergeltungsangriffen.

Der Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern aus dem Gazastreifen ist erneut gefährlich eskaliert. Militante Palästinenser feuerten bis zum Nachmittag zahlreiche Raketen auf israelische Ortschaften. Nach Angaben eines Krankenhauses wurden zwei Israelis bei den Angriffen getötet. Damit stieg die Zahl der israelischen Todesopfer am Sonntag auf drei.

Die israelische Armee meldete, dass bis Sonntagvormittag 450 Geschoße vom Gazastreifen aus auf Israel abgefeuert wurden. Das Militär reagierte nach eigenen Angaben mit rund 220 Vergeltungsangriffen auf das Palästinenser-Gebiet. In der Küstenstadt Ashkelon wurde nach Polizeiangaben in der Nacht auf Sonntag ein Israeli getötet, als eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete sein Wohnhaus traf. Die Polizei meldete am Sonntagnachmittag zwei weitere Todesopfer in Ashkelon.

Das Gesundheitsministerium in Gaza teilte seinerseits mit, zwei Palästinenser seien bei einem Luftangriff östlich von Gaza getötet worden. Damit stieg die Zahl der seit Samstag im Gazastreifen getöteten Palästinenser auf neun; 80 wurden verletzt. Unter den Toten seien ein Kleinkind und dessen schwangere Mutter, hieß es.

Die israelische Armee wies diese Angaben am Sonntag zurück. Vielmehr seien fehlgeleitete Schüsse der radikalislamischen Hamas für die beiden Todesopfer verantwortlich, schrieb der Armeesprecher Ronen Manelis im Onlinedienst Twitter. "Die Propaganda der Terrororganisation" laufe auf Hochtouren, fügte er hinzu.

Militanten Palästinenser gezielt getötet

Die israelische Armee hat am Sonntag nach eigenen Angaben einen militanten Palästinenser gezielt getötet. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurde der 34-jährige Hammad al-Khudari tödlich getroffen, als er in der Stadt Gaza in einem Auto unterwegs war.

Die Armee teilte mit, der Mann habe iranische Gelder an die im Gazastreifen herrschende Hamas sowie die militante Palästinenserorganisation Islamischer Jihad übermittelt. Damit habe er dabei geholfen, Raketenangriffe auf Israel zu finanzieren.

In der Vergangenheit hatte Israel immer wieder gezielt militante Palästinenser getötet, darunter auch Hamas-Führungsmitglieder. Nach dem Gaza-Krieg 2014 hatte das Militär im Rahmen einer Waffenruhe diese Praxis jedoch weitgehend unterlassen.

Angespannte Lage spitzt sich zu

Die angespannte Lage zwischen Israelis und Palästinensern aus dem Gazastreifen hatte sich am Samstag wieder zugespitzt, nachdem es am Freitag bei Demonstrationen an der Grenze zu gewaltsamen Zusammenstößen gekommen war. Die Eskalation passiert nur eine Woche vor dem Eurovision Song Contest (ESC) in Tel Aviv. Bisher blieb Tel Aviv von der jüngsten Runde der Gewalt verschont. Militante Palästinenserorganisationen drohten jedoch nach Medienberichten mit einer Ausweitung der Angriffe auch auf die Küstenmetropole. Der bewaffnete Arm der Islamistenorganisation Islamischer Jihad veröffentlichte ein Video, in dem militante Islamisten mit Angriffen auf zentrale Ziele in Israel, darunter den internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv, drohten.

Ein Sprecher der Europäischen Rundfunkunion (EBU), Veranstalterin des ESC, sagte am Samstag: "Sicherheit steht für die EBU immer an erster Stelle." Man arbeite mit der israelischen Rundfunkanstalt KAN und der Armee zusammen, "um die Sicherheit all jener zu gewährleisten, die mit uns in der Veranstaltungshalle Expo Tel Aviv zusammenarbeiten und sich uns anschließen". Man verfolge die Lage aufmerksam und die ESC-Proben gingen normal weiter, sagte Sprecher Jon Ola Sand.

Als Reaktion auf den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen ordnete Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu weitere Vergeltungsangriffe auf Ziele von Islamistengruppen an. Er habe die Armee angewiesen, ihre "massiven Angriffe auf Terrorziele im Gazastreifen" aufrechtzuerhalten, sagte Netanyahu am Sonntag zu Beginn einer Kabinettssitzung in Jerusalem. Überdies solle die Armee die Truppen rund um den Gazastreifen "mit Panzern sowie Truppen von Artillerie und Infanterie" verstärken. Die Hamas trage die Verantwortung für alle Angriffe aus dem Küstenstreifen und zahle bereits einen hohen Preis dafür.

US-Regierung erklärt sich mit Israel solidarisch

In Israel wurden nach Angaben des Rettungsdienstes Magen David Adom 83 Menschen verletzt, darunter eine 80-Jährige, die in Kiryat Gat durch Raketensplitter schwere Verletzungen erlitt.

In israelischen Wohngebieten mussten seit Samstag Zehntausende Menschen in Schutzräume flüchten, in den betroffenen Regionen heulten immer wieder die Alarmsirenen. Mehrere Häuser in Ortschaften nahe dem Gazastreifen wurden von Raketen getroffen. Die Schulen in Israels Süden blieben am Sonntag geschlossen.

Nach Angaben von Anrainern wurden in Gaza zwei mehrstöckige Gebäude zerstört. Israelischen Angaben zufolge befanden sich in einem der Gebäude Büros des Militärgeheimdienstes und der Sicherheitsdienste der Hamas. Anrainer bestätigten, dass sich in einem der zerstörten Gebäude das Büro der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi befand. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan verurteilte bei Twitter "den Angriff Israels gegen das Büro der Agentur Anadolu in Gaza scharf".

Die US-Regierung erklärte sich solidarisch mit Israel und sprach dem Verbündeten die "volle Unterstützung" für dessen "Recht auf Selbstverteidigung gegen diese abscheulichen Attacken" aus, wie Außenministeriumssprecherin Morgan Ortagus mitteilte. Vertreter Ägyptens und der UNO bemühten sich um eine Beruhigung der Lage, die EU forderte ein sofortiges Ende der Raketenangriffe aus dem Gazastreifen.

Dagegen verurteilte die Türkei die Angriffe Israels scharf. Das Außenministerium erklärte am späten Samstagabend: "Wir fordern die internationale Gemeinschaft dazu auf, rasch einzuschreiten, um Spannungen in der Region abzubauen, die mit Israels unverhältnismäßigem Vorgehen gestiegen sind."

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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