"Kreuzzug" in Cannes gegen Algerien-Film "Hors la loi"

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Kreuzzug Cannes gegen AlgerienFilm(c) EPA (CHRISTOPHE KARABA)
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Mit einem Film über ein Massaker an Algeriern 1945 geht Regisseur Rachid Bouchareb ins Rennen um die Goldene Palme. Rechte Politiker werfen ihm Geschichtsfälschung vor und drohen mit Aktionen auf dem Filmfestival.

Ein Wettbwerbs-Film sorgt in Cannes für politischen Sprengstoff. "Hors la loi" (etwa: Jenseits des Gesetztes) von Rachid Bouchareb, der auf dem Filmfestival Cannes (12. bis 23. Mai) ins Rennen um die Goldene Palme geht, handelt von einem Massaker im algerischen Sérif. Dort wurden am 8. Mai 1945 Hunderte algerischer Demonstranten von der französischen Armee getötet, weil sie sich für die Loslösung Algeriens von Frankreich einsetzten. Ihm wird vorgeworfen, historisch falsch und "negationistisch" zu sein. Der Begriff "Negationismus" bezeichnet in Frankreich die bewusste Leugnung oder die Verharmlosung von Völkermorden. Ein selbst ernanntes Komitee "Für die historische Wahrheit - Cannes 2010" drohte nun mit spektakulären Aktionen auf dem Filmfestival.

Ausgelöst hat den Streit Lionnel Luca, Abgeordneter der französischen Regierungspartei UMP. "Das ist ein Film, der die Geschichte neu interpretiert und der, statt die Beziehungen zu befrieden, die Wunden wieder aufreißt", erklärte Luca in der französischen Presse. Bouchareb sei parteiisch und voreingenommen, und schleudere auf unerträgliche Weise den Funken ins Pulverfass, sagte er. Der Politiker ist für seine rechtskonservativen, zum Teil rechtsextremen Positionen, bekannt. Er hat lautstark ein Verbot des Wahlrechts für Ausländer unterstützt.

Stör-Aktionen in Cannes

Lucas Kritik ging nicht ins Leere. Das mysteriöses Komitee "Für die historische Wahrheit", das sich im rechtsextremistischen Umfeld ansiedelt, hat gedroht, das Festival mit spektakulären Aktionen zu stören, wie unter anderem "Le Figaro" und "Mediapart.fr" berichteten. Die Devise sei: "Kreuzzug auf der Croisette".

Der konservative Politiker hat den Film, der am 22. September in die französischen Kinos kommt, nicht gesehen. Seine Schlussfolgerungen basieren auf einer internen Mitteilung der historischen Abteilung des französischen Verteidigungsministeriums vom September 2009: In dieser ist von und groben Fehlern und Anachronismen die Rede. "Die zahlreichen Unwahrscheinlichkeiten des Szenarios zeigen, dass dem Film keine seriösen geschichtlichen Studien vorausgegangen sind", zitiert der "Figaro" aus dem Bericht.

"Jeder muss sein Mea culpa machen"

"Ich bestreite nicht, dass die Franzosen eine verwerfliche Tat begangen haben", erklärte der Abgeordnete. "Ich will Bouchareb keine bösen Absichten unterstellen. Jeder muss sein Mea culpa machen. Doch warum muss Frankreich 50 Jahre später das einzige Land sein, das ständig seine Fehler anerkennen und sich dafür entschuldigen muss?", sagte Luca.

Hinter der heftigen Reaktion verbirgt sich aber noch ein anderer Grund. "Hors la loi" geht in Cannes zwar für Algerien ins Rennen um die Goldene Palme, der Film wurde jedoch zum Teil mit französischen Geldern finanziert.

Regisseur: "Historische Wahrheit"

Bouchareb hat auf die Kritik bisher gelassen reagiert. Ihm gehe es bei dem Film darum, "die gemeinsame Geschichte der beiden Länder an den Tag zu bringen" und eine "historische Wahrheit herzustellen, die in den Archiven aufbewahrt" gewesen sei.

"Hors la loi" schließt in gewisser Weise an seinen Film "Tage des Ruhms" an. In dem in Cannes im Jahr 2006 präsentierten Streifen erzählt er die Geschichte von vier nordafrikanischen Soldaten, die sich in der französischen Armee engagieren, weil sie ihren Patriotismus für ein Land beweisen wollen, das sie gar nicht kennen. Doch statt Anerkennung erfahren sie aufgrund ihrer Herkunft nur Demütigung. Auch hier ist das zentrale Thema des Films die Suche nach Identität und Heimat.

(Ag.)

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