Litauen: Abschied von einer politischen Titanin

Dalia Grybauskaitė darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
Dalia Grybauskaitė darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.APA/AFP/LUDOVIC MARIN
  • Drucken

Bei der Präsidentenwahl in der Baltenrepublik am Sonntag darf die beliebte bisherige Staatschefin, Dalia Grybauskaitė, nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Neun Frauen und Männer wollen ihr im Amt nachfolgen.

Warschau/Vilnius. Wenn sie noch einmal antreten könnte, würde sie die Präsidentschaftswahlen am Sonntag haushoch gewinnen: Dalia Grybauskaitė ist die weitaus beliebteste Politikerin in Litauen. Die 2,4 Millionen wahlberechtigten Litauer würden die Amtsinhaberin bereits in der ersten Wahlrunde noch einmal bestätigen. Doch die 63-jährige politische Titanin darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

Um Grybauskaitės Nachfolge kämpfen in Litauen neun Kandidaten. Keiner von ihnen kann auch nur annähernd auf einen Sieg bereits in der ersten Runde hoffen. Die zwei Bestplatzierten werden sich deshalb am 26. Mai, am Tag der EU-Wahlen, in einer Stichwahl messen müssen. Eine Chance, es so weit zu schaffen, haben nur drei Kandidaten. Der politisch erfahrenste unter ihnen ist Regierungschef Saulius Skvernelis vom Verbund der Bauern und Grünen. Skvernelis führt eine von Sozialdemokraten unterstützte, reichlich populistische Minderheitsregierung und möchte nun ins Präsidentenamt wechseln. Allerdings liegt er in allen Umfragen nur auf dem dritten Platz.

Als Favoritin gilt die einstige Finanzministerin (2009–2012) Ingrida Šimonytė, die von der konservativen Heimatunion unterstützt wird. In den Umfragen führt sie mit rund 27 Prozent, dicht gefolgt vom unabhängigen Wirtschaftsprofessor und Ex-Banker Gitanas Nausėda (24 Prozent). Letzterer ist ein Politneuling, den noch keine Skandale verfolgen.

Zugleich finden am Sonntag zwei Referenden statt. Zum einen sollen die Parlamentssitze von 142 auf 121 verkleinert werden; zum andern könnte die Doppelbürgerschaft künftig erlaubt werden. Grund dafür ist der anstehende Brexit. Vilnius befürchtet nämlich, dass die rund 200.000 nach Großbritannien ausgewanderten Litauer die britische Staatsbürgerschaft annehmen könnten.

Großer Bevölkerungsschwund

Das Land leidet schon heute enorm unter dem Bevölkerungsschwund von knapp über zehn Prozent der Einwohner seit dem EU-Beitritt 2004. Die Emigrationswelle ist deshalb auch ein großes Thema im Wahlkampf. Die Regierung Skvernelis konnte die Abwanderung vor allem junger und gut ausgebildeter Litauer trotz anderslautender Versprechen nicht aufhalten. Skvernelis drücken auch eine umstrittene Hochschulreform und Probleme im Gesundheitswesen. Die populistische Einführung eines Kindergelds und die Rentenerhöhungen liegen zu lang zurück, als dass sie ihm im Wahlkampf helfen könnten. Angesichts des erwarteten Scheiterns hat der Verbund der Bauern und Grünen bekannt gegeben, die Regierung werde zurücktreten, wenn Skvernelis den Einzug in die Stichwahl verpasse.

Skvernelis hat überdies durch seinen Dauerstreit mit der scheidenden Staatspräsidentin Grybauskaitė einigen Bürgerzorn auf sich gezogen. Seine Partei brach mutwillig Streitereien mit den Nachbarn Lettland und Weißrussland vom Zaum. Zudem lehnte er sich immer mehr an Russland an, mit dem Litauen wieder intensive Handelskontakte pflegt. Dies alles hat die überzeugte Europäerin Grybauskaitė wenig goutiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.