Neue Datenspeicher aus dem Molekül-Drucker

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Ein österreichischer Forscher hat mit seinem Team ein molekulares Verfahren entwickelt, um digitale Daten langfristig zu speichern. Es soll so haltbar sein wie die vor einigen Jahren entwickelten Datenträger aus DNA, dabei aber millionenfach günstiger und schneller.

Kloschüsseln und Zahnbürsten wählen sich in das Internet der Dinge ein, Autos lernen selbstständig zu fahren, Ärzte laden die Genome ihrer Patienten hoch – jeden Tag produziert die Menschheit eine Quintillion Bytes, eine Zahl mit 30 Nullen (Stand 2018). Und die Kurve zeigt steil nach oben: Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2020 jeder Mensch der Welt im Schnitt 1,7 Megabyte an neuen Informationen generieren wird – pro Sekunde.

Wohin mit all den Daten?

Längst sichert man nur mehr das Nötigste auf der eigenen Festplatte, dem Smartphone oder USB-Stick. Das Gros der Daten landet in der Cloud, einem Onlinespeicherplatz, wie er inzwischen von verschiedensten IT-Firmen angeboten wird. Doch auch hier müssen die Bits und Bytes letztlich physisch festgehalten werden – was angesichts der explodierenden Datenmengen auch immer größere Anforderungen an die Speichertechnologie stellt.

Alle bisher verwendeten Datenträger haben dabei ihre Schwachstellen: Klassische Festplatten müssen sich drehen und gekühlt werden, was einen hohen Energieverbrauch mit sich bringt. Magnetbänder, die nach wie vor zur professionellen Sicherung und Archivierung vor allem größerer Datenmengen zum Einsatz kommen, sind teuer und müssen im Abstand von einigen Jahren kopiert und ersetzt werden.

Seit Langem arbeiten Forscher weltweit an grundlegend neuen Speichermedien – 2013 sorgte etwa die Verwendung von DNA-Molekülen als Datenträger für Furore. Auf den Erbgutmolekülen lassen sich Informationen auf extrem kleinem Raum über viele Jahrhunderte sichern. Doch für den österreichische Chemiker Michael Fink von der Harvard University ist auch das keine praktikable Lösung: „Selbst mit modernen Syntheserobotern kann man mit DNA nur etwa ein Tausendstel Byte pro Sekunde schreiben. Und die Kosten dafür belaufen sich auf 40 Cent pro Byte – bei Magnetbändern sind es nur 1,5 Cent pro Gigabyte.“

Nullen und Einsen im Tropfen

Fink hat mit seinem Team einen anderen Ansatz entwickelt: In einer kürzlich erschienenen Studie (ACS Central Science, 6. 5.) zeigten die Forscher, dass man ein Gemisch aus 32 verschiedenen Oligopeptiden – kurze Ketten von Aminosäuren – ebenfalls als Datenspeicher verwenden kann, wenn man sie in mikroskopisch kleine Tröpfchen auf einen Träger druckt.

„Auf einer Platte, die ungefähr so groß ist wie ein Smartphone, haben wir in der aktuellen Studie 1500 von diesen kleinen Tröpfchen untergebracht“, beschreibt Fink den Versuchsaufbau. In jedem Tropfen konnten die Wissenschaftler präzise steuern, welche der 32 Oligopeptide vorhanden waren – und welche fehlten.

Anschließend wurde von jedem dieser Tropfen eine kleine Menge mit einem Laser verdampft und die Moleküle wurden in einen Massenspektrometer geleitet. Da sie 32 unterschiedliche Massen besitzen, ließen sich die Oligopeptide beim Auslesen wie Orgelpfeifen nach ihrem Molekulargewicht ordnen. So konnte die digitale Information gespeichert werden: Fehlte ein Oligopeptid, repräsentierte die Lücke eine digitale Null, jedes vorhandene stand dagegen für eine Eins. „Mit unseren 32 Molekülen können wir also an jedem dieser Punkte 32 Bit, oder 4 Byte, darstellen“, erklärt Fink. Das Prinzip könnte auch auf jede andere Art von organischen Molekülen angewendet werden, solang sie sich auf einem Träger fixieren lassen und stabil genug sind, erklärt der Chemiker. „Wir haben uns für die Oligopeptide entschieden, einfach weil sie leicht zugänglich sind und man sie unkompliziert bestellen kann.“

Bei der Studie handle es sich bisher zwar nur um einen sogenannten Proof of concept – man habe also bewiesen, dass sich auf diese Weise prinzipiell Daten speichern lassen, betont Fink. In der ersten Ausführung des Konzepts konnten damit 400 Kilobits an Text und Grafiken mit acht Bits pro Sekunde abgespeichert werden, gelesen wurden sie dann mit 20 Bits pro Sekunde – „damit sind wir noch weit von einer Marktreife entfernt“. Doch Fink rechnet in fünf bis zehn Jahren mit einem konkurrenzfähigen Speichermedium. Seine Molekültröpfchen, die er MolBits getauft hat, könnten dann genau so stabil sein wie DNA-Speicher, dabei aber „millionenfach effizienter in Kosten und Speichergeschwindigkeit“. [ Fotostudio Wilke]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2019)

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