FPÖ sagt Kurz den Kampf an

Bundespräsident Alexander Van der Bellen (l.) und Bundeskanzler Sebastian Kurz besprachen am Sonntag die Vorgehensweise bis zur Wahl.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen (l.) und Bundeskanzler Sebastian Kurz besprachen am Sonntag die Vorgehensweise bis zur Wahl. (c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz haben einen Fahrplan bis zur Wahl im September. Vieles hängt von der FPÖ ab.

Wien. Eineinhalb Stunden haben Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz hinter der roten Tapetentür in der Hofburg verbracht, um über die drängendsten Fragen zu beraten: Wie soll der Bundeskanzler bis zum kommenden Wahltermin weiterregieren? Und vor allem: mit wem? Kurz hatte – mit Unterstützung des Bundespräsidenten – nach dem Rücktritt von FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache wegen des Ibiza-Videos einige Optionen: die Entlassung einzelner freiheitlicher Minister zum Beispiel. Oder der gesamten FPÖ-Regierungsmannschaft. Stattdessen könnte Kurz ein Kabinett mit Beamten oder anderen unabhängigen Experten bilden, um für Stabilität in den kommenden Wochen zu sorgen. Auch eine Minderheitsregierung wäre möglich. Der Bundespräsident und der Bundeskanzler einigten sich am Sonntagvormittag auf eine Variante, die den beiden am liebsten wäre. Aber sie vereinbarten auch Stillschweigen: Van der Bellen und Kurz wollten noch abwarten, zu welchen Ergebnissen die FPÖ-Gremien am späten Sonntagnachmittag gelangen, bevor sie die Details preisgeben. Die Freiheitlichen tagten an einem öffentlich nicht bekannten Ort, um das weitere Vorgehen zu klären. Fragen waren in der Hofburg also nicht zugelassen – und die, die dennoch gestellt wurden, ignorierte man.

Termin am 15. September?

Und so hatten Van der Bellen und Kurz in der Hofburg nur das ohnehin Bekannte zu verkünden: Die türkis-blaue Koalition sei in der bisherigen Form zu Ende. „Ich plädiere für Neuwahlen zu Beginn des Septembers“, sagte Van der Bellen. Ins Detail ging der Bundespräsident nicht, das Parlament könnte aber schon in der kommenden Woche über ein Datum entscheiden. Als wahrscheinlichster Termin gilt der 15. September. Theoretisch wären aber auch der 1. und 8. des Monats möglich.

Bis dahin gehe es darum, sagte Van der Bellen, „das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederherzustellen“. Auf dem Spiel stehe aber auch „das Ansehen Österreichs in der Welt“. Er selbst habe „sein Vertrauen in Teile der Bundesregierung verloren“. Die Rücktritte von Strache und dem geschäftsführenden FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus am Samstag seien daher nur ein erster Schritt. Auch Kurz kündigte an, „alle Verdachtsmomente“, die sich aus den Videoaufnahmen ergeben, zu prüfen. Außerdem solle geklärt werden, wer die Falle in Auftrag gegeben habe.

Der Bundespräsident wolle in den kommenden Tagen mit allen Chefs der Oppositionsparteien Gespräche führen – „und auch mit dem jetzt noch designierten FPÖ-Chef Hofer“, wie er ankündigte. Seine geplante Reise nach Kroatien sagte Van der Bellen daher ab. Er hätte womöglich ohnehin Erklärungsbedarf gehabt. Strache sagte bei den Videoaufnahmen im Jahr 2017 riet von Investitionen in das Land ab: „Kroatien ist eine Scheiße, eine Scheiße.“

„Es geht der ÖVP nur um die Macht“

Auch Kurz wollte mit Hofer noch einmal das weitere Prozedere beraten. Doch eine besonders gute Gesprächsbasis dürften die beiden nicht mehr haben. In Wahrheit stecken ÖVP und FPÖ schon mitten im Wahlkampf.

Hofer veröffentlichte schon auf dem Weg zur Gremiensitzung eine Videobotschaft. Es war eine Kampfansage an die Volkspartei: Eine Regierung mit der FPÖ werde es nur mit einem Innenminister Herbert Kickl geben, sagte er. Zur Erinnerung: Kurz soll am Samstagnachmittag verlangt haben, dass der freiheitliche Chefstratege sein Ministerbüro in der Herrengasse räumt (siehe Seite 2). „Das konnte ich nicht akzeptieren“, sagte Hofer. „Ich werde alles tun, damit diese FPÖ eine starke Partei bleibt, egal, ob in der Regierung oder in der Opposition.“

Kickl selbst meldete sich am Sonntagnachmittag ebenfalls auf Facebook zu Wort. Und es klang nicht danach, als würde der amtierende Innenminister noch an eine künftige Zusammenarbeit mit der Volkspartei glauben: „Es geht Bundeskanzler Kurz und der ÖVP nur um die Macht. Offenbar auch um den Preis der Sprengung einer Regierung, die in der Bevölkerung die höchste Anerkennung für ihre Arbeit seit vielen Jahren hat“, schrieb er. Dann schwiegen aber alle Freiheitlichen. Und berieten über ihre Zukunft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2019)

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