Radsport: Im Peloton regiert ein Skispringer

Primož Roglič, 29, jagt den Gesamtsieg beim 102. Giro d'Italia.
Primož Roglič, 29, jagt den Gesamtsieg beim 102. Giro d'Italia.(c) APA/AFP/LUK BENIES
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Primož Roglič, 29, war auf den Schanzen zu Hause, inzwischen ist er ein so guter Radfahrer, dass er den Giro d'Italia gewinnen kann. Dazu muss der Slowene in den Alpen bestehen.

Pesaro/Wien. Skispringen und Radfahren haben auf den ersten Blick nicht viel gemein. Hier braucht es Schnellkraft und Koordination, dort vor allem Ausdauer. Der Slowene Primož Roglič war mit seinem Team 2007 Juniorenweltmeister im Skispringen, feierte Erfolge im Continental-Cup und war auf dem Weg in den Weltcup und damit in die absolute Springerelite.

Doch Roglič stürzte zweimal schwer, zuletzt 2011 in Planica, gut eineinhalb Stunden von seinem Heimatdorf Kisovec entfernt. Das Gefühl für die Schanzen wollte danach nicht mehr zurückkehren.

Dafür fiel Roglič bei einem Rad-Amateurrennen auf, als er mit geliehenem Rennrad aufs Podest fuhr. Ein Test zeigte: Seine Sauerstoffaufnahme liegt bei 80 Millilitern, vergleichbar mit Siegern der Grand Tours (von Chris Froome wurde einst ein Wert von 84,6 ml veröffentlicht, eine Durchschnittsperson kommt auf 35 bis 40 ml).

Ab 2013 fuhr Roglič für das drittklassige Team Adria Mobil, auch in der österreichischen Liga. Seit 2016 steht er beim niederländischen Jumbo-Team (UCI World Team) unter Vertrag. Es war auch das Jahr seines Durchbruchs, Roglič gewann ein Zeitfahren beim Giro d'Italia. Aber nicht nur im Kampf gegen die Uhr (WM-Silber 2017) überzeugte er, es folgten Siege bei Bergetappen der Tour de France, darunter über den berüchtigten Col du Galibier. Die Tour 2018 beendete Roglič auf Gesamtrang vier, ein neuer Sieganwärter schien sich warmzufahren. In seiner Heimat hat der Quereinsteiger damit einen kleinen Radsportboom ausgelöst.

Und heuer? Bisher hat der 29-Jährige alle drei Rundfahrten, bei denen er angetreten ist, gewonnen. Darunter die anspruchsvolle Tour de Romandie, die er nach Belieben dominierte.

Beim laufenden Giro d'Italia gibt er nun erstmals den Teamleader. Das Auftaktzeitfahren in Bologna hat er gleich gewonnen, fünf Tage war er im Rosa Trikot des Führenden unterwegs, dann gab er es aus taktischen Gründen ab (sein Team ließ eine Fluchtgruppe gewähren). Zu hoch ist der Aufwand zu diesem frühen Zeitpunkt einer dreiwöchigen Rundfahrt für das Team, zu sehr zehren die Pflichten des Trägers an der Regeneration.

Am Sonntag hat Roglič aber wieder zugeschlagen: Wie entfesselt gewann er das Zeitfahren in San Marino. Einzig Victor Campenaerts, Inhaber des Stundenweltrekords, hielt einigermaßen mit. Nach dem Ruhetag am Montag lag Roglič auf Gesamtrang zwei, 1:50 Min. hinter Valerio Conti (ITA), auf Mitfavoriten wie Vincenzo Nibali (11.) oder Simon Yates (24.) hat er viel Zeit gutgemacht.

Am Dienstag folgt das zehnte Teilstück von Ravenna nach Modena (145 km, 13.35 Uhr, Eurosport), die schweren Bergetappen warten ab Freitag. Am 2. Juni endet der Giro mit einem Zeitfahren in Verona. Wie gemacht also für Roglič – wenn sein Team in den Alpen die erhoffte Unterstützung sein kann.

Sollte er als erster Slowene den Giro gewinnen, könnte das die Trainingsmethodik im Radsport durchaus infrage stellen. Das frühe Schnellkraft-Training des Ex-Skispringers scheint von Vorteil zu sein. Andere halten ihn schlichtweg für furchtlos, weil er einst mit über 100 km/h ins Nichts gesprungen ist. Rogličs größtes Problem auf den Alpenpässen könnte seine Unerfahrenheit sein. Es ist seine vierte dreiwöchige Rundfahrt, Nibali bestreitet seine 21. Grand Tour. Nach seinem Sieg beim Zeitfahren am Sonntag meinte Roglič: „Es ist noch ein weiter Weg, viele Kilometer, viele Berge. Der Giro ist noch lang nicht vorbei.“ (joe)

Zur Person

Primož Roglič, 29, jagt den Gesamtsieg beim 102. Giro d'Italia. Als Skispringer war der Slowene 2007 Juniorenweltmeister. Seit 2013 betreibt er Radsport. Heuer hat Roglič bereits drei Rundfahrten gewonnen, beim Giro liegt er nach neun von 21 Etappen auf Rang zwei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2019)

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