EU-Wahl: Der Auftakt der Europaskeptiker

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Am Donnerstag starten in Großbritannien und den Niederlanden die Europawahlen. In beiden Ländern sind populistische Parteien stark - ein Trend für ganz Europa.

Von einem „großen Moment“ sprach der Sprecher der EU-Kommission Margaritis Schinas am Mittwoch. "Die EU-Wahl ist die größte grenzüberschreitende Wahl auf dem Planeten und eine Chance, über unsere Zukunft zu entscheiden, unsere Führung zu bestimmen und unser demokratisches Recht auszuüben, das Teil unserer europäischen Identität ist."

Am Donnerstag beginnt die viertägige Wahl in Großbritannien und in den Niederlanden. Zwar wollten die Briten ursprünglich bis zu dem Votum längst die EU verlassen haben. Da der Brexit nun bis spätestens 31. Oktober erfolgen soll, müssen sie an der EU-Wahl diesmal aber noch teilnehmen. Insgesamt können mehr als 400 Millionen Menschen in 28 Mitgliedsstaaten 751 neue EU-Abgeordnete bestimmen. Österreich und die meisten übrigen Staaten wählen zum Abschluss am Sonntag.

Die Ergebnisse könnten wegen vermutlich hoher Stimmanteile für EU-kritische Parteien nicht nur die Gesetzgebung und die Besetzung von Spitzenposten in Brüssel extrem kompliziert machen. Spekuliert wird auch über ein politisches Beben in Deutschland mit Folgen für die ohnehin wacklige Große Koalition aus CDU, CSU und SPD. Denn hier laufen zeitgleich die Landtagswahl in Bremen und Kommunalwahlen in zehn Bundesländern.

Tories werden wohl abgestraft

Auf EU-Ebene müssen Christdemokraten und Sozialdemokraten im Vergleich zur Wahl 2014 deutliche Verluste befürchten, während Rechtspopulisten auf Zuwächse hoffen. Die größten Europa-Kritiker sind auf Kurs, ihren Stimmenanteil auf 20 bis 25 Prozent auszubauen. Das spiegelt sich auch bei den am Donnerstag stattfindenden Abstimmungen wider. In Großbritannien dürften die konservativen Tories von Premierministerin Theresa May aufgrund ihres Brexit-Kurses von den Wählern abgewatscht werden.

So sieht eine aktuelle Umfrage von Poll of Polls die Tories nur mehr bei knapp unter zehn Prozent und bei sieben Sitzen im EU-Parlament. Damit wären die Tories nur mehr viertstärkste britische Partei und im Vergleich zur EU-Wahl 2014 mehr als halbiert. Profitieren dürfte indes die Brexit-Partei des früheren UKIP-Chefs Nigel Farage, die laut der Umfrage jeder Dritte Brite bei der EU-Wahl wählen will, und somit auf 25 Sitze kommen könnte.

Doch auch die Labour Party, die bei der EU-Wahl 2014 noch jeder vierte Brite wählte und auf 20 Sitze kam, dürfte aufgrund ihres unklaren Brexit-Kurses verlieren. So sieht die aktuelle Umfrage Labour nur mehr bei 15 Sitzen (18,12 Prozent).

Politico, Poll of Polls

Rechte ist gespalten

Auch in den Niederlanden sind die Europaskeptiker auf dem Vormarsch: Schon bei den Provinzwahlen Ende März ging die junge national-populistische Partei Forum voor Democratie (FvD), die selbst Rechtspopulisten Geert Wilders blass aussehen ließ, als Sieger hervor. Die liberale ALDE-Fraktion im EU-Parlament dürfte mit den zwei Regierungsparteien Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD/5) von Ministerpräsident Mark Rutte und Democraten 66 (D66/2) insgesamt sieben Sitze erhalten. Ebenso viele Sitze werden mittlerweile aber auch schon den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR), fünf für die 2016 gegründete FvD von Thierry Baudet und zwei für die CU, deren Wähler großteils aus dem traditionellen calvinistischen Milieu kommen, prognostiziert.

Politico, Poll of Polls

Absehbar ist ein Rechtsruck zudem in Italien, wo Lega-Chef Matteo  Salvini über 30 Prozent Stimmanteil erwartet, und in Frankreich, wo die Partei Rassemblement National der Rechtsnationalistin Marine Le Pen mit etwa einem Viertel der Stimmen noch vor der Präsidentenpartei Macrons ins Ziel kommen könnte. Im künftigen Europaparlament bleibt die nationalistische Rechte jedoch wahrscheinlich erst einmal zwiegespalten.

Der nationalkonservativen PiS in Polen etwa ist ein Kuschelkurs mit Russland ein Graus, während Salvini dem Kreml offen Avancen macht. Auf Distanz zu Moskau gehen auch rechte Parteien in Skandinavien. Auch bei den Finanzen zeigen sich unterschiedliche Interessenkonstellationen: Italien zahlt in den EU-Haushalt ein, während Polen und Ungarn zu den größten Empfängern gehören. Im Streit mit der EU-Kommission über seine Neuverschuldungspläne musste sich Italien vom deutschen Partner AfD scharfe Kritik anhören.

Wer wird Kommissionspräsident?

Vom Ausgang der Europawahl hängt eventuell auch ab, wer Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wird. 2014 hatten sich die EU-Staaten auf das Prinzip geeinigt, dass der Spitzenkandidat der erfolgreichsten Fraktion Kommissionspräsident werden soll. Herausforderer des Deutschen Weber ist der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans. Das Wahlergebnis steht Sonntagabend an.

(APA/Red.)

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