UN fordern Großbritannien zu Rückgabe des Chagos-Archipels an Mauritius auf

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116 Länder stimmten am Mittwoch in der Generalversammlung in New York dafür, dass die Briten ihre letzte Besitzung im Indischen Ozean aufgeben - darunter Österreich. Indes ist dort auf dem Diego-Garcia-Atoll ein großer Militärstützpunkt der USA.

Die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen haben in der Generalversammlung per Resolution mehrheitlich Großbritannien aufgefordert, den Chagos-Archipel im nördlichen Indischen Ozean an den Inselstaat Mauritius zurückzugeben. 116 Länder stimmten am Mittwoch in New York dafür, nicht weniger als 56 Staaten enthielten sich.

Dagegen stimmten nur sechs Staaten, nämlich Großbritannien, die USA, Australien, Israel, die Malediven und Ungarn. Unter den Enthaltungen waren etwa Frankreich, Deutschland, Dänemark, Chile, Kanada und Katar. Interessanterweise stimmten nicht wenige durchwegs mit den Briten befreundete Staaten gegen diese, also für die Resolution - darunter Saudiarabien, Norwegen und Österreich.

Die rechtlich nicht bindende Resolution fordert Großbritannien auf, die Kontrolle über die kleine Gruppe aus Atollen und Riffen innerhalb von sechs Monaten an Mauritius, ebenfalls eine britische Ex-Kolonie mit heute etwa 1,3 Millionen Bewohner, zurückzugeben.

Gutachten des Internationalen Gerichtshofs

Die Sache ist allerdings aussichtslos. Die britische UN-Botschafterin, Karen Pierce, sagte, ihr Land habe keine Absicht, sich zurückzuziehen, und sei generell „enttäuscht" von dem Votum. Im übrigen befindet sich auf der Hauptinsel dieser letzten britischen Besitzung im Indischen Ozean, Diego Garcia, ein an die USA verpachteter und aufgrund seiner Abgeschiedenheit sagenumwobener Militärstützpunkt, von dem aus unter anderem Luftangriffe über Afghanistan und dem Nahen Osten geführt werden. Diego Garcia liegt weit entfernt von Mauritius, etwa 2150 Kilometer im Nordosten.

Nathan G. Bevier/U.S. Air Force

Bereits im Februar hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag, ein Unterorgan der UNO, ein Gutachten erstellt, nach dem Großbritanniens Kontrolle über den Archipel gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker verstößt. Großbritannien hält dagegen, dass das Gebiet nie Teil des Staates Mauritius gewesen sei und dessen Ansprüche ungültig seien.

Der Hintergrud ist dieser: Chagos (heute etwa 3000 Bewohner) war so wie auch Mauritius unbewohnt, als Portugiesen beide Gebiete im 16. Jht. entdeckten. Später kamen Holländer, dann Franzosen nach Mauritius. Sie siedelten Sklaven an, aber erst im 18. Jht. auch auf dem Chagos-Archipel, den Frankreich als Hoheitsmacht verwaltungstechnisch zu Mauritius schlug. England übernahm 1814 nach Napoleons Niederlage die Kontrolle über Mauritius und Chagos.

Zwangsweise Umsiedlung der Chagossianer

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Als London Mauritius 1968 in die Unabhängigkeit entließ, hielt es freilich am strategisch günstig gelegenen Chagos fest und zahlte sogar eine Entschädigung dafür. Wenig später schon begannen die Arbeiten an dem US-Stützpunkt, im Zuge derer etwa 1500 "Îlois" (Insulaner) bzw. „Chagossianer" umgesiedelt wurden, das waren Plantagenarbeiter, Fischer und Kleingewerbetreibende einer gemischt afrikanisch-indisch-malaiischen Ethnie, die eine französische Kreolsprache sprachen. Man brachte sie nach Mauritius und auf die Seychellen, viele zogen nach England. Auch dabei flossen Entschädigungen.

Chagos gehöre "historisch" zu Mauritius, heißt es dort schon seit langem, und sei von den Briten eigenmächtig abgetrennt worden. Als Argument wurden auch UN-Resolutionen aus den 1960er-Jahren angeführt, wonach Kolonien nur als Ganzes unabhängig werden dürfen. Mauritius hat indes zugesagt, die US-Basis könne bleiben. Über die Jahrzehnte gab es auch zahlreiche, doch meist zwecklose Prozesse in Großbritannien, in denen Îlois bzw. ihre Erben für ein Recht auf Rückkehr fochten.

Foto von Dino Sassi - Marcel Fayon, Photo Eden LTD, Seychellen, 1977

Der Streit wurde 2017 von der UN-Generalversammlung an den IGH überwiesen, um darüber ein nicht-bindendes Gutachten zu erstellen. Im Februar wurde das Ergebnis veröffentlicht: Großbritanniens Herrschaft über Chagos verstoße nach Überzeugung von 13 der 14 Richter gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker. London müsse die Inselgruppe an Mauritius zurückgeben.

(WG/ag.)

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