Die Wiener Austria in der NS-Zeit

Wiener Austria als SC Ostmark
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Rapid war kein Naziverein, Austria Wien kein jüdischer Verein. Nach der 2011 erstellten Studie zu „Grün-Weiß unterm Hakenkreuz“ legen vier Autoren eine akribisch recherchierte Geschichte der Austria während der NS-Zeit vor.

Vor einigen Jahren unterhielten sich in meiner Nähe zwei Studenten, wahrscheinlich der Politikwissenschaft. Der eine fragte, wie man nur zu Rapid, diesem Nazi-Verein, halten könne, worauf der andere meinte, das sei ihm unerklärlich, wenn schon Wiener Fußball, dann Austria, immerhin ein jüdischer Verein. Im November 2016 war in der „Presse“ ein Kommentar zum damals jüngsten Wiener Derby zu lesen, in dem auf ein Transparent der Rapid-Fans hingewiesen wurde, das erklärte, nur eine Wiener Mannschaft sei Deutscher Meister gewesen. Der Kommentator nutzte seine Betrachtung der Fernsehübertragung zum Generalrundumschlag gegen die Fans beider Seiten, in denen er nichts als Rechtsradikale und Nazi-Sympathisanten sah.

In beiden Fällen sehen wir die Neurosen, Verzerrungen, Identifikationen, Halbwahrheiten und Verdrehungen im österreichischen Umgang mit dem Nationalsozialismus wie unter einem Brennglas. Rapid war kein Nazi-Verein, die Austria kein jüdischer Verein, und vor dem Derby am 23. Oktober 2016 war im Hütteldorfer Block West ein Transparent aufgespannt worden, auf dem „Gewidmet Wilhelm Goldschmidt und allen Rapidlern, die dem Dritten Reich zum Opfer gefallen sind“ stand. Der Klubsekretär Goldschmidt hatte 1899 den Ersten Wiener Arbeiter-Verein in Rapid umgetauft; er fiel 1942 der Shoah zum Opfer. Am 8. Jänner dieses Jahres versenkten die Verantwortlichen des SK Rapid zum Jahrestag der Umbenennung einen Stolperstein für den Namensgeber vor seinem einstigen Wohnhaus in der Leopoldstadt. Im November vergangenen Jahres legte die Austria, mit Vorstand und Mannschaft, im Gedenken an die Novemberpogrome einen Kranz vor dem Shoah-Mahnmal auf dem Judenplatz nieder.

Nach der 2011 von Jakob Rosenberg und Georg Spitaler erstellten Studie „Grün-Weiß unterm Hakenkreuz“ legen nun Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik, Rudolf Müllner und Johann Skocek eine akribisch recherchierte Geschichte der Austria während der NS-Zeit vor.

Im März 1938 war der gesamte Vorstand der Violetten jüdisch, aber kein einziger Spieler. Der Vorstand wurde unverzüglich seines Amts enthoben und neu besetzt. Bis auf Manager Robert Lang, der 1941 von den Nazis in Jugoslawien ermordet wurde, entkamen alle Vorstandsmitglieder oder überlebten. Dass neben dem neuen Vereinsführer Bruno Eckerl, einem Anwalt, der sich während des Nationalsozialismus für seine Aufnahme in die NSDAP und nach dem Krieg um Restitutionen für Margarethe Nausch, die Frau des ehemaligen Austria-Kickers Walter Nausch, einsetzte, Ernst Kaltenbrunner zum Ehrenpräsidenten bestimmt wurde, ist nur eine der unbekannten Geschichten, die hier erzählt werden. Die berüchtigte Umbenennung der Austria in SC Ostmark dürfte dem Alleingang des kommissarischen Leiters Hermann Haldenwang zuzuschreiben – und niemals formal vollzogen worden sein. Bald hießen die Violetten wieder Austria Wien. Der 1938 abgesetzte Präsident, Michael Emanuel Schwarz, wurde im Winter 1945 abermals zum Präsidenten gewählt. Von ihm übernahm 1957 nach einer Kampfabstimmung Bruno Eckerl das Amt. Vielleicht ist auch das eine „Wiener Schule“.

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