Iran verstößt gegen Atomabkommen

Irans Präsident Hassan Rouhani
Irans Präsident Hassan Rouhani Getty Images (Michael Gruber)
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Der Iran will nach offiziellen Angaben im Laufe des Tages damit beginnen, Uran über das erlaubte Maß anzureichern. Vizeminister Araghchi bezeichnete den Schritt als legitim und im legalen Rahmen des Wiener Abkommens.

Der Iran setzt mit einer Steigerung seiner Urananreicherung das historische Atomabkommen von 2015 aufs Spiel. "Ab heute halten wir uns nicht mehr an die 3,67 Prozent und unsere Urananreicherung wird je nach Bedarf erhöht", sagte Regierungssprecher Ali Rabei am Sonntag in der iranischen Hauptstadt Teheran. Die Begrenzung der Urananreicherung auf maximal 3,67 Prozent ist eine der wichtigsten Auflagen des Abkommens, mit dem der Iran am Bau einer Atombombe gehindert werden soll.

Zugleich machte der Iran aber deutlich, dass das Land das Atomabkommen wieder einhalten werde, sollten die verbliebenen Vertragspartner seinen Wünschen nachkommen. Jüngst hatte Teheran bereits die nach der Vereinbarung erlaubte Menge an Uranvorräten überschritten.

Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien wird am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um die Lage zu beraten. Mit dem neuen Schritt durch Teheran ist der Wille der verbliebenen Partner - Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland -, den Deal zu retten, schwerer umsetzbar denn je. Möglicherweise wird ein Streitschlichtungsmechanismus aktiviert, an dessen Ende eine Neuauflage auch der UN-Sanktionen stehen könnte. Das wäre das faktische Aus des Abkommens.

Diplomatie brachte keine Ergebnisse

Der Iran werde die Urananreicherung je nach technischem Bedarf schrittweise auf 5 bis 20 Prozent erhöhen, sagte der Sprecher der iranischen Atomorganisation, Behrouz Kamalvandi, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rabei und Vizeaußenminister Abbas Araghchi. Derzeit gebe es jedoch noch keine Anweisungen für eine Anreicherung auf 20 Prozent, die für den medizinischen Reaktor in Teheran erforderlich sei, sagte Kamalvandi.

Vizeminister Araghchi bezeichnete den iranischen Schritt als legitim und im legalen Rahmen des Wiener Abkommens. "Wir haben nach dem Ausstieg der USA im vergangenen Jahr der Diplomatie ein Jahr Zeit gegeben ... aber ohne Ergebnisse", sagte Araghchi. Dennoch sei der Weg für eine diplomatische Lösung weiterhin offen. Präsident Hassan Rohani habe am Samstagabend ein konstruktives Telefonat mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron über weitere Verhandlungen dazu geführt, sagte der Vizeminister. Dabei sei es vor allem um ein Außenministertreffen der verbliebenen Vertragspartner gegangen.

Es kommt auf Russland und China an

Im Ringen um die Rettung des Atomabkommens gibt es nach Ansicht des Sicherheitsexperten Wolfgang Ischinger noch Chancen. "Es gibt einen diplomatischen Manövrierraum, der noch nicht völlig ausgeschöpft ist", sagte Ischinger dem Nachrichtenportal "t-online.de" am Sonntag. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz empfiehlt, dass die verbliebenen Partner des Abkommens die Angelegenheit zur Chefsache machen sollten. Es komme vor allem darauf an, dass Russland und China sich der Rettung des Deals von 2015 verpflichtet fühlten.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace gab Deutschland und Europa eine Mitschuld daran, dass sich der Konflikt am Persischen Golf weiter zuspitzt. Europa habe nach dem Ausstieg der USA "nur halbherzig versucht", das internationale Atomabkommen zu retten, erklärte der Greenpeace-Abrüstungsexperte Alexander Lurz am Sonntag.

"Sie wissen, womit sie spielen"

Die USA sind 2018 aus der Vereinbarung mit Teheran ausgestiegen. US-Präsident Donald Trump hat zudem Sanktionen gegen das Land verhängt, die jedem wirtschaftliche Nachteile androhen, der iranisches Öl kauft. Damit will er die Einnahmen der Islamischen Republik drastisch vermindern und Teheran politisch gefügiger machen. Der Iran sieht seine mit dem Abkommen verbundenen wirtschaftlichen Hoffnungen völlig enttäuscht. Vor zwei Monaten hatte Teheran deshalb angekündigt, in Stufen aus dem Deal auszusteigen. Die USA hatten die Führung in Teheran jüngst eindringlich vor der angedrohten Urananreicherung gewarnt. "Sie wissen, womit sie spielen, und ich denke, sie spielen mit Feuer", sagte US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus.

Anlass des Atomabkommens war die Sorge der internationalen Gemeinschaft, der Iran könne eine Atombombe bauen. Daher wurde das iranische Atomprogramm massiv eingeschränkt und überwacht. Auf 90 Prozent hoch angereichertes Uran kann für Nuklearwaffen benutzt werden. Bei einer Anreicherung des Urans auf 20 Prozent ist der Schritt bis zum waffenfähigen Uran nur noch klein. Allerdings sind sich die Experten weitgehend einig, dass Teheran bis zum möglichen Bau einer Atombombe mindestens ein Jahr brauchen würde.

Der Iran hat mehrmals behauptet, dass auch bei einem eventuellen Ausstieg aus dem Atomabkommen das Land nicht an einem Atomwaffenprogramm arbeiten werde. Die Herstellung und Nutzung von Massenvernichtungswaffen sei nach islamischen Vorschriften verboten. Diesbezüglich gebe es auch ein Dekret des obersten iranischen Führers, Ayatollah Ali Khamenei, das sogar bei den UN registriert sei.

Kernpunkte des Atomabkommens

KONTROLLE: Der Iran unterwirft seine Urananreicherung bis zu 25 Jahre lang einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien.

ZENTRIFUGEN: In den ersten zehn Jahren müssen mehr als zwei Drittel der bestehenden Kapazitäten zur Urananreicherung stillgelegt werden. Die Zahl installierter Zentrifugen soll von 19.000 auf rund 6000 sinken.

ANREICHERUNG: Uran darf nur noch auf 3,67 Prozent angereichert werden - dieser Anreicherungsgrad reicht für die Nutzung in Kraftwerken aus. An diese Vorgabe fühlt sich der Iran seit Sonntag nicht mehr gebunden. Für eine klassische Atombombe wäre auf 90 Prozent angereichertes Uran nötig. Der Iran hatte vor dem Abkommen einen Anreicherungsgrad von bis zu 20 Prozent erreicht, was für bestimmte medizinische Zwecke interessant ist.

URANBESTÄNDE: Die Menge des bereits angereicherten Urans wird für 15 Jahre von mehr als 10.000 Kilogramm auf 300 Kilogramm reduziert. An diese Regelung fühlt sich der Iran inzwischen nicht mehr gebunden. Die IAEA teilte am 1. Juli 2019 mit, dass Teheran erstmals seit Abschluss des Abkommens die Obergrenze für seine niedrigangereicherten Uranvorräte überschritten hat.

ANREICHERUNGSANLAGEN: Die Urananreicherung soll in der bestehenden Anlage Natans stattfinden. Die Anreicherungsanlage Fordo wird ein Atom-Forschungszentrum.

ARAK: Der Schwerwasserreaktor Arak soll so umgebaut werden, dass er kein atomwaffentaugliches Plutonium produzieren kann. Am 8. Mai 2019 - genau ein Jahr nach Aufkündigung des Abkommens durch die USA - erklärte der Iran, nach Ablauf einer Frist von 60 Tagen sollten auch Beschränkungen für die Produkte aus dem Schwerwasserreaktor Arak sollten nicht mehr gelten.

WAFFENEMBARGO: Das UN-Verbot zur Ein- und Ausfuhr von Waffen wird um fünf Jahre verlängert. Auch Lieferungen, die dem Raketenprogramm des Irans dienen könnten, bleiben für acht Jahre verboten.

SANKTIONEN: Im Gegenzug hebt der Westen Wirtschaftssanktionen auf. Sollte der Iran gegen die vereinbarten Regeln verstoßen, können die Strafmaßnahmen umgehend wieder in Kraft treten.

(APA/dpa/AFP)

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