Bahnversorgung nicht den Rosinenpickern überlassen

Replik. Der öffentliche Verkehr wird auch als Träger des Klimaschutzes immer wichtiger.

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Die „Regierung Bierlein im ÖBB-Dilemma“ schrieb Matthias Auer am 3. Juli in der „Presse“ und berichtete, dass der Druck auf die Übergangsregierung steige, Milliardenaufträge an die ÖBB zu vergeben, damit auch 2020 noch alle Züge fahren. Dazu ein paar Anmerkungen:

Die Österreicher zählen zu Europas fleißigsten und zufriedensten Bahnfahrern. Die Sicherung dieses Erfolgsmodells muss für uns alle ein wichtiges politisches Anliegen sein. Ohne effizienten, flächendeckenden Bahnverkehr wird es uns auch nicht gelingen, unsere Klimaziele zu erreichen.

Das Angebot wird immer besser. Wenn die großen Tunnelprojekte Semmering und Koralm fertiggestellt sind, wird die Südbahn auch endlich jene Attraktivität bekommen, wie sie die Westbahn schon seit Jahren hat: In zwei Stunden und 40 Minuten reist man dann von Wien nach Klagenfurt, bis Venedig sind es vier Stunden. Das schafft kein Auto, wenn es im Rahmen der Tempolimits auf der Autobahn bewegt wird. Insgesamt wird von 2018 bis 2023 die Rekordsumme von 13,9 Milliarden Euro in den Ausbau der heimischen Schieneninfrastruktur investiert.

Ein Blick über die Grenzen zeigt, was wir nicht wollen: Verspätungen, Dauerbaustellen, unzureichende Infrastruktur, bei der frustrierte Reisende ratlos auf dem Bahnsteig zurückbleiben. Unser Ziel muss ein attraktiver, zuverlässiger öffentlicher Verkehr mit starkem Bahnangebot als Rückgrat sein.

Wachsende Fahrgastzahlen

Die Direktvergabe von Schienenpersonenverkehrsleistungen ist keine Selbstverständlichkeit. Aber sie ist heute eine absolute Notwendigkeit, wenn wir das Potenzial unseres Bahnsystems für das beste Mobilitätsangebot an die Pendler und damit für bestmöglichen Klimaschutz optimal nutzen wollen. Dafür sind die ÖBB auch in Vorleistung gegangen, haben in moderne Züge, mehr Verbindungen und in einen integrierten Taktfahrplan investiert. Der Erfolg zeigt sich an den Fahrgastzahlen, die jedes Jahr einen neuen Rekord erreichen. Gerade die erfolgreichen S-Bahn-Systeme rund um die Landeshauptstädte boomen.

Milliarden in die Infrastruktur

Das zeigt: Ein optimales Verkehrsangebot bewegt die Menschen schnell und nachhaltig zum Umsteigen auf die Bahn. Dieses Erfolgsmodell jetzt infrage zu stellen wäre fahrlässig und würde ausschließlich auf Kosten von Fahrgästen und Umwelt gehen. Wettbewerb auf der Schiene ist wichtig, nicht umsonst investiert Österreich Milliarden in moderne Infrastruktur und ermöglicht damit auch privaten Betreibern den Bahnbetrieb.

Aber die flächendeckende Bahnversorgung der Regionen und die Mobilität der Pendler darf nicht dem Rosinenpicken von ausländischen Anbietern überlassen werden, die sich gern grenzüberschreitend an internationalen Ausschreibungen beteiligen. Hier brauchen wir die Effizienz und Zuverlässigkeit von Österreichs Staats- und Regionalbahnen.

Und um noch eine Unschärfe in Matthias Auers Bericht zu korrigieren: Nicht nur die ÖBB, sondern auch elf andere Regionalbahnunternehmen (u. a. die Graz-Köflacher Bahn, die Raab-Ödenburger Bahn, die Zillertalbahn, die Salzburger Lokalbahn oder die Montafoner Bahn) erhalten ebenfalls direkte Verkehrsdienstaufträge, weil damit das Bahnangebot für die Pendlerinnen und Pendler in ganz Österreich gesichert wird.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen Direktvergaben von Verkehrsaufträgen in einer Zeit, in der der öffentliche Verkehr als Träger des Klimaschutzes immer wichtiger wird, das Richtige getan haben.

Norbert Hofer ist Abgeordneter zum Nationalrat und war von Dezember 2017 bis Mai 2019 österreichischer Infrastrukturminister.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2019)

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