Sonst bleibt die Straße Schlachtfeld

Denkanstoß zum tragischen Fahrradunfall: Es braucht keine neuen Vorschriften, die bestehenden müssen eingehalten werden.

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Der Unfall mit zwei toten Kindern und einer verletzten Mutter ist tragisch und traurig genug, weshalb die nunmehr einsetzende Diskussion über Themen wie Tempolimit auf Bundesstraßen ohne Radweg eindeutig am Kern der Sache vorbeigeht. Die Ursache für die meisten Unfälle ist mangelnde Anpassung der Fahrgeschwindigkeit, mangelnde Kindersicherung, mangelnde Ladungssicherung, Ablenkung durch Mobiltelefon etc., Alkohol-/Drogeneinfluss und – diesfalls eindrücklich erkennbar – die Missachtung des Grundsatzes „Fahren auf Sicht“.

Ich bin derzeit mit meiner zweiten Tochter als Ausbildner im Rahmen der L-17-Führerscheinausbildung unterwegs, bei der man im Fahrtraining vor allem die Aufgabe hat, für den Lehrling zu beobachten und zu schauen; die Anzahl der dabei wahrgenommenen Verstöße anderer Verkehrsteilnehmer gegen „Fahren auf Sicht“ ist dabei unangefochtener Spitzenreiter. Gerade die bereits existierende glasklare Regel des § 20 Abs. 1 StVO mit der dort festgelegten Anordnung, dass die Fahrgeschwindigkeit den Sichtverhältnissen anzupassen ist, hätte diesen Unfall bereits verhindert, ist die Fahrgeschwindigkeit doch so zu wählen, dass man sein Fahrzeug innerhalb der übersehbaren Strecke zum Stillstand bringen kann. Denn auch ein unbeleuchtetes Objekt (z. B. ein gestürzter Fußgänger) hätte Opfer werden können, was nur durch Fahren auf Sicht verhindert werden kann.

Traurig ist, dass in der Führerscheinausbildung so gut wie nie klargemacht wird, was die Fahrgeschwindigkeit in Kilometern pro Stunde umgelegt auf die Sichtweite bedeutet. Würde den Führerschein-Kandidaten beigebracht, dass man die km/h mittels Division durch 3,6 in Meter pro Sekunde umrechnen kann, könnte man die Relation zur Sichtstrecke, zum Brems- bzw. Anhalteweg deutlich einfacher herstellen. Ebenso könnte man klarmachen, dass der drei Sekunden dauernde Blick auf das Mobiltelefon bei Autobahntempo 130 km/h einer Wegstrecke von 108,33 Metern entspricht, die man im Blindflug zurücklegt.

Zusammenfassend kann man den hyperventilierenden Forderungen aus verschiedensten Richtungen entgegnen: Es bedarf keiner neuen Vorschriften oder der Verschärfung bestehender Regelungen – es bedarf der eigenverantwortlichen Beachtung der bestehenden gesetzlichen Vorgaben sowie allenfalls klarer Befugnisse für die Polizei, die Einhaltung der Bestimmungen auch kontrollieren zu können. So ist unverständlich, warum die durchgehende Section Control aller Autobahnen und Schnellstraßen nicht schon längst eingeführt ist. Es ist unverständlich, dass die Polizei (meines Wissens) beim Verdacht der Nutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung das Telefon des Fahrers nicht kontrollieren darf, nämlich ob damit in den letzten Fahrminuten telefoniert wurde

Wir brauchen mehr Kontrolle

Vor der Schule meiner Töchter kommt es praktisch täglich zu Schulschlusszeiten zu tumultartigen Szenen, bei denen Halteverbote, das Verbot des Parkens/Haltens auf Gehsteigen etc. beobachtet werden kann. Die Polizei des zuständigen Wachzimmers wurde von der Direktion der Schule mehrfach gebeten, durch Kontrollen eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. Ich überlasse es Ihrer geschätzten Fantasie und Erfahrung als gelerntem Österreicher, wie oft die Ordnungshüter vor der Schule tatsächlich kontrolliert haben.

Bevor nicht die Beachtung wesentlicher Verkehrsvorschriften in den Köpfen der Verkehrsteilnehmer ankommt und man die heute technisch möglichen Überwachungsmaßnahmen nicht ergreift, um den ersten Punkt anzumahnen, wird die Straße zum Schlachtfeld verkommen, das immer wieder hohen Blutzoll fordert

Kleiner Nachtrag zum Kommentar bzw. eine Schilderung, wie es nicht laufen sollte: Am Sonntag begegnete mir auf der L 38 (Römerstraße) auf Höhe Hafele Catering eine Polizeistreife (ohne Blaulicht !) auf meiner Fahrbahnseite, weil der Fahrer des Streifenwagens in einer (aus seiner Sicht) unübersichtlichen Linkskurve einen Radfahrer überholte.

Wenn schon die Polizei vormacht, wie es nicht sein sollte, braucht man sich über „Nachahmungstäter“ nicht zu wundern. Die von mir angemahnte Verinnerlichung von Grundvorschriften der StVO muss man augenscheinlich auch vom Hüter des Gesetzes selbst verlangen.

Dr. Klaus Duschek ist Steuerberater in Ampass, Tirol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2019)

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