Personalschacher, Parteispenden und Pharisäertum

Erkenntnisse um Ibiza-Video und Casino-Bestellung sollten trotz Wahlkampfs für Verbesserungen genützt werden, nicht für Verhöhnungen.

Pharisäertum wird in diesem Wahlkampf zur zentralen Haltung. Scheinheilig kritisiert die SPÖ (und hinter vorgehaltener Hand die ÖVP) die Bestellung eines in der Glücksspielbranche völlig unerfahrenen und offenbar unterqualifizierten FPÖ-Mannes als Korruption und Postenschacher. Jahrzehntelang wurden „Manager“ von SPÖ und ÖVP in Positionen im staatsnahen Bereich geschickt und versorgt, deren stärkste Eignung für den Job das jeweilige Parteibuch war und ist.

Und das kann ja auch sehr gut gehen: Christian Kern, einst Referent im SPÖ-Parlamentsklub, wurde nach anderen Karrierestationen ein anerkannter und guter ÖBB-Chef. Im konkreten Fall kommt freilich hinzu, dass Heinz-Christian Strache in seinem Video Glücksspiellizenzen in Aussicht gestellt hatte. Scheinheilig meinen FPÖ-Politiker wie Norbert Hofer, dass eben Casinos-Aufsichtsratspräsident Walter Rothensteiner Peter Sidlo nicht hätte bestellen dürfen, wenn der Personalberater diesen als nicht ausreichend qualifiziert eingestuft habe. Dabei hat die FPÖ genau dies verlangt. Als Meister des falschen Heiligenscheins tritt Strache selbst auf, wenn er im Interview mit dieser Zeitung erklärt, man habe einen FPÖ-Vertrauensmann in den Casinos haben wollen, um zu kontrollieren und mitreden zu können.

Was kontrollieren? Ob die Lottozahlen stimmen? Wahr ist vielmehr, dass ein Oppositionspolitiker wie Strache von „Postenschacher“ gesprochen und getobt hätte, wenn ein solcher Vorfall in einer rot-schwarzen Regierung publik geworden wäre. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wenn der Bund schon Anteile an Unternehmen halten muss, die vermutlich privat noch besser geführt würden, ist es logisch, dass er als Eigentümervertreter Personen in den Aufsichtsrat schickt. Bei der operativen Ebene schaut das ganz anders aus. Da wären die Besten ihres Faches ein beruhigendes Signal an die eigentlichen Miteigentümer: die Steuerzahler.

Im konkreten Fall war die Vorgehensweise besonders ärgerlich. Ein Personalberater startet ein aufwendiges Verfahren und soll offenbar den vorher auserwählten Kandidaten gut reihen und damit küren. Das gelang beim besten Willen nicht. Warum dann die ganze Show?

Es wäre ein guter Moment, von alten Praktiken Abstand zu nehmen und ab sofort derartige Bestellungen weiter zu objektivieren. Alle Parteien sind aufgerufen, eine neue Kultur der Personalfindung zu unterstützen und sich dazu im Falle einer Regierungsbeteiligung zu verpflichten. Aufsichtsräte wiederum sollten ihrer gesetzlichen Verantwortung gerecht werden – zum Wohl des Unternehmens, nicht der Politik. Aber zugegeben: Das alles ist nicht sehr realistisch.


Denn immerhin gibt es ein gutes Beispiel, wie ein aktueller Anlass für eine echte Verbesserung unserer innenpolitischen Spielregeln ausgelassen wurde. Nachdem das Thema Parteispenden dank Straches Ibiza-Fantasien plötzlich auf das Tapet kam, gab es keinen Allparteienantrag für totale Transparenz und Eindämmung von Umgehungen, sondern eine Verhöhnung des Landes. Rot und Blau verboten höhere Einzelspenden, um dem politischen Gegner Sebastian Kurz zu schaden. Die gängige Methode, Geld über parteinahe Vereine zu schleusen, bleibt aber (halb) legal. Dabei hatte Strache genau das als Möglichkeit angesprochen. Es bleibt eine für alle.

Wenn Heidi Horten also das nächste Mal an den Kulturverein „Wörthersee für junge Kanzlerkandidaten“ spendet, darf sie das. Dieser richtet dann ein schönes Sommerfest aus. Es bleibt ebenso eine Gesetzeslücke wie die alte Stückelung der Parteispenden auf unter 50.000 Euro. Diese ist endlich nicht mehr möglich, war aber jahrelang von allen genützt worden. Die ÖVP steht am Pranger, weil sie beim Spendensammeln am erfolgreichsten war. Offenbar hofften viele Industrielle, dass Kurz das Land reformieren und wirtschaftsfreundlicher machen wird.

Eine Frage würde mich in diesem Zusammenhang sehr interessieren: Sind Sie der Meinung, dass er das wirklich versucht hat? Ich denke, es wäre mehr Reformeifer möglich gewesen.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2019)

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