EXPO 2010: Tiroler Schützen in Shanghai „entmannt“

EXPO 2010 Tiroler Schuetzen
EXPO 2010 Tiroler Schuetzen(c) APA (Hopi Media)
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Tracht & Tradition, Computeranimation und Technologie. Bundeskanzler Werner Faymann eilt durchs Expo-Getümmel. Die Gewehre der Tiroler Schützen durften aber nicht aufs Expo-Gelände mitgenommen werden.

Shanghai.Die Federbuschen auf den Hüten wedeln im schwülen Wind. In voller Trachtenpracht ist eine 25-köpfige Abordnung Tiroler Schützen aus dem Zillertal zur Begleitung des Expo-Besuchs von Bundeskanzler Werner Faymann ausgerückt. Allein ihre Gewehre durfte die Traditionsgarde aus Sicherheitsgründen (selbst Feuerzeuge werden den Besuchern abgenommen) nicht aufs Expo-Gelände mitnehmen. „Wir sind praktisch entmannt“, feixt ein Schütze.

Beim anschließenden Mittagessen mit dem Bürgermeister von Shanghai, Han Zheng, werden dann die Auswirkungen der Klimaänderung auf die Stadtentwicklung erörtert. Faymann verweist in diesem Rahmen noch einmal auf das technologische Know-how und die Erfahrung hin, die Österreich in diesem Bereich zu bieten hat.

Immerhin sind die österreichischen Exporte nach China auch im Krisenjahr 2009 um 7,2 Prozent auf zwei Milliarden Euro gestiegen. Menschenrechtsfragen werden indes nicht angesprochen. „Woher nehmen wir eigentlich die moralische Autorität, diesbezüglich den Oberlehrer zu spielen? Unsere Geschichte autorisiert uns nicht dazu“, reagiert Expo-Regierungskommissar Hannes Androsch eher forsch auf derartige Fragen von Journalisten. Er freut sich stattdessen, kurzfristig den kleinen Sohn der Dolmetscherin zum Staatsakt eingeladen zu haben. Auf den Schultern eines Botschaftsangestellten erlebt der Bub mit strahlendem Gesicht die Zeremonie mit.

Im Anschluss mischt sich der Kanzler-Tross unter die täglich 50.000 Besucher des chinesischen Pavillons und marschiert im Eilzugstempo durch die Schau.

Österreich-Haus mit Sisi-Double

Der österreichische Pavillon wartet. Ein Sisi-Double lächelt ihr majestätisches Lächeln, und auch Ex-Tischtennisweltmeister Werner Schlager wartet schon vor der 16-Millionen-Euro-Architekturextravaganz. In China gilt der Sportler als bekanntester Österreicher nach Mozart.

Faymann zeigt das typische Pavillon-Verhalten der täglich bis zu 20.000 Besucher: im ersten Raum ein paar Schneebälle in Richtung computeranimierter Bergkulisse schleudern. Dann ein flüchtiger Blick in den kleinen Schaukasten über Fotovoltaik-Technik im alpinen Gelände. Weiter geht es in den nächsten, gangähnlichen Raum.

Politiker vor digitaler Fototapete

Wieder rutscht der hohe Besuch ins Verhalten des kleinen Mannes: Wie sämtliche Besucher lässt sich auch die Prominenz vor den animierten Wald-, Alm- und Winterlandschaftsimpressionen fotografieren, ignoriert werden hingegen die winzigen Gucklöcher auf der gegenüberliegenden Seite, hinter denen sich die umwelttechnologische „Visitenkarte“ (© Androsch) in Form von visualisierten Industrieprozessen versteckt.

Dabei hat es Faymann überhaupt erst seinen chinesischen Kollegen zu verdanken, dass diese technische Leistungsschau in dieser Dimension stattfindet. So hat die Nummer fünf der chinesischen Polithierarchie zwar den österreichischen Pavillon noch vor der Eröffnung besucht. „Eine besondere Wertschätzung“, so Androsch. Aus der chinesischen Führung gab es im Anschluss aber recht ungeschminkte „Anregungen“ für eine Umgestaltung, „denen auch entsprochen wurde“, wie Pavillon-Leiterin Birgit Murr bestätigt. „Ohne diese Visitenkarte hätten wir uns großen Schaden zugefügt“, verteidigt Androsch den nicht ganz konfliktfreien Expo-Auftritt der Republik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2010)

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