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Dating unter Russen

In letzter Zeit ist in Russland ein Begriff stark in Mode gekommen: Autarkie. Man möchte weg von den westlichen Vorbildern und setzt auf Selbstversorgung.

Besonders stark spürt man dieses Bestreben in den modernen Kommunikationstechnologien. Das eigene, von einer großen Firewall abgesicherte Internet ist zwar noch Zukunftsmusik, aber schon heute haben russische User ihr eigenes Facebook, ihr eigenes Amazon, ihr eigenes Online-Essenlieferservice und – ab sofort – auch ihr eigenes Tinder.

Der Internetriese Mail.ru, der auch das „russische Facebook“ VKontakte betreibt, hat in diesen Tagen eine Dating-App auf den Markt geworfen, die Millionen Partnersuchende in Russland verbinden möchte. Lovina, so heißt sie, setzt ganz auf Video-Chats, in denen die Gematchten sich innerhalb von 48 Stunden besser kennenlernen können. Nun wäre gegen das „russische Tinder“ nichts einzuwenden, würde es nicht mit einer Welle der gesteigerten Überwachung angespült. Denn während viele westliche Anbieter ihre Userdaten nicht so einfach an die Behörden übermitteln wollen, sind russische Firmen oft konzilianter. Der Verdacht liegt nahe: Man entwickelt Eigenes, um die eigenen besser kontrollieren zu können. Dating-Apps funktionieren freilich nach den Gesetzen des Marktes. Bisher ist es bei Lovina ziemlich einsam. (som)

Reaktionen an: jutta.sommerbauer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2019)

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