Weltraumtechnik.

Satelliten mit Technologie aus Österreich erforschen das All

Kleiner Würfel, große Wirkung: Mini-Triebwerk aus Wr. Neustadt.
Kleiner Würfel, große Wirkung: Mini-Triebwerk aus Wr. Neustadt.(c) Hinterramskogler
  • Drucken

Den Geheimnissen Schwarzer Löcher ist die Europäische Weltraumbehörde ESA auf der Spur. An Bord der Forschungssatelliten, die in die Tiefen des Alls geschickt werden, könnten auch elektrische Antriebssysteme sein, die niederösterreichische Forscher entwickeln und bauen.

Wenn die europäische Weltraumbehörde ESA einem österreichischen Start-up und einer heimischen Forschungseinrichtung einen Auftrag über zwei Millionen Euro erteilt, dann muss schon etwas Besonderes dahinterstecken. Im konkreten Fall ein etwa zehn Zentimeter großer Würfel, nicht ganz ein Kilo schwer. Es handelt sich um einen elektrischen Antrieb für Satelliten im All. „Damit kann man freilich keine Rakete zum Mond schießen“, schränkt Helmut Loibl ein. Wohl aber könne man damit Schwarze Löcher erforschen und Satelliten länger als bisher im All belassen.

Loibl ist Geschäftsführer der Fotec, dem Forschungsunternehmen der Fachhochschule Wiener Neustadt. Seine Wissenschaftler haben jahrelang an diesem elektronischen Antrieb gefeilt, ehe er im vergangenen Jahr seinen erfolgreichen Premiereneinsatz im Erdorbit absolvierte. „Damit haben wir Raumfahrtgeschichte geschrieben“, freut sich Bernhard Seifert, der als Bereichsleiter der Fotec dafür verantwortlich ist, dass dieses elektrische Triebwerk bis zur Marktreife entwickelt wurde. Das eigens dafür gegründete Start-up Enpulsion stellt nun täglich ein solches Triebwerk her, um den kommerziellen Markt bedienen zu können.

Heiße Ionen liefern Schubkraft

Der Antrieb beruht auf dem Prinzip der Feldeffektemission, als Treibstoff wird das Metall Indium verwendet. Dabei wird der Tank des Triebwerks auf 170 Grad aufgeheizt, wodurch das Indium zu schmelzen beginnt. Extrem hohe Spannung sorgt dafür, dass aus dem flüssigen Metall Ionen herausgerissen und ins All geschleudert werden. Das ergibt die Schubkraft, mit der es dank ausgeklügelter Steuerung möglich ist, Satelliten im All punktgenau zu manövrieren.

Die ESA will dieses Antriebssystem für künftige Forschungsmissionen verwenden. Ein solches Vorhaben ist das Projekt Laser Interferometer Space Antenna (Lisa), bei dem etwa ab dem Jahr 2030 mithilfe mehrerer Satelliten die Gravitationswellen von Schwarzen Löchern gemessen werden sollen. Ein weiteres Projekt, Next Generation Gravity Mission (NGGM), hat zum Ziel, die Veränderungen im Schwerefeld der Erde präzise zu registrieren. „Die Herausforderung besteht darin, die Satelliten in genauer Konstellation zueinander zu positionieren“, erklärt Loibl. „Da geht es um Bruchteile von Mikrometern, obwohl die beteiligten Satelliten beispielsweise bei Lisa rund 2,5 Millionen Kilometer voneinander entfernt sind.“ Bereits unterwegs ist das Projekt Iceye, bei dem vom Weltraum aus unter anderem die Eisbedeckung der Erde mithilfe von Radargeräten beobachtet wird. Zehn daran beteiligte Satelliten mit Antriebstechnik aus Wiener Neustadt sind bereits im Orbit.

Interessant sind die elektrischen Antriebe auch für die New-Space-Industrie. So ist unter dem Projektnamen OneWeb ein weltumspannendes Netz aus 648 Satelliten in rund 1200 Kilometern Höhe rund um die Erde geplant, um globalen Breitband-Internetempfang zu ermöglichen.

Während Forschungssatelliten in weit entfernte Bereiche des Universums geschickt werden, schweben Satelliten, die kommerziellen Zwecken dienen, in vergleichsweise geringen Höhen über unserem Planeten. Aufgrund des Reibungswiderstands, verursacht durch die ausgedünnte Atmosphäre, und wegen der Erdanziehungskraft verlieren sie ständig an Höhe und stürzen ohne Gegenmaßnahme irgendwann einmal ab. „Man braucht aber keine Angst zu haben, dass sie uns auf den Kopf fallen“, beruhigt Loibl. „Sie verglühen beim Eintauchen in die Atmosphäre.“ Ein elektronischer Antrieb kann die Lebensdauer der Satelliten verlängern, indem er sie durch einen kleinen Schub wieder anhebt. „Auch Kollisionen mit Weltraumschrott können durch präzises Steuern vermieden werden“, sagte Loibl am Rande der internationalen Raumfahrttagung IEPC 2019, die Mitte September von der Fotec und der FH Wiener Neustadt ausgerichtet wurde.

Die Forscher wollen künftig die Zuverlässigkeit und die Schubkraft der Antriebe weiter erhöhen, ihren Treibstoffverbrauch minimieren und ihre Effizienz steigern. Neben der ESA unterstützen das Technologieministerium und die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG das Projekt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.