Schüler im Museum: "Was fressen Quallen?"

Schueler Museum fressen Quallen
Schueler Museum fressen Quallen(c) Michaela Bruckberger
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Dinosaurier sind am gefragtesten: Mit einer Volksschulklasse im Naturhistorischen Museum.

WIEn. Die Biologin Elisabeth Jegel öffnet die Türen des roten Rollkastens und zaubert einen Schwamm hervor. „Das ist Spongebob, wie er wirklich aussieht“, sagt sie zu den Kindern einer zweiten Klasse der Volksschule Greiseneckergasse in Wien-Brigittenau. „Ein echter Meeresschwamm.“ Die Kinder reichen das Objekt zunächst etwas zögerlich weiter. Wie fühlt sich das an? Was frisst so ein Schwamm?

Das zweite Objekt ist wesentlich schwerer: eine Koralle. Zuvor haben die Kinder bereits beim Besichtigen der Schaukästen erfahren, dass das Skelett bei Korallen im Gegensatz zum Menschen außen ist. „In jedem Loch wohnt ein Korallentierchen.“

„Lebensraum Meer“ heißt diese Führung. Klassenlehrerin Brigitte Kamon hat sie ausgewählt, da die gesamte Schule heuer das Thema Wasser zum Schwerpunkt erklärt hat. Grundsätzlich ist für die Teilnahme an diesen Schulprogrammen kein Vorwissen nötig, betont Gertrude Zulka-Schaller, Leiterin der Museumspädagogik. Kamon hat mit den Kindern dennoch schon zuvor über das Meer gesprochen.

Muttersprachenlehrer dabei

Nur ein Kind mit deutscher Muttersprache besucht diese Klasse. Einige haben gute Deutschkenntnisse, da sie bereits in einen Kindergarten gegangen sind. Andere haben nicht nur Probleme mit Begrifflichkeiten. Sie kennen schlicht viele Dinge nicht. Deshalb begleitet auch Sedat Pero die Klasse. Er ist Muttersprachenlehrer für Türkisch an der Schule und erzählt, „dass die Hälfte der Kinder an der Schule türkisch ist“.

Pero setzt sich zu den Kindern auf den Boden, übersetzt, erklärt, beantwortet Fragen. Das nächste Objekt, das von Hand zu Hand gereicht wird, ist ein Seestern. Dann eine Schnecke, die Säge eines Sägerochens, ein präparierter Katzenhai. Jedes Kind will das Tier angreifen, die kleinen Hautzähne spüren, die den Hai unter Wasser ganz schnell schwimmen lassen, wie Jegel erklärt.

Vor der Vitrine mit größeren und kleineren Haien stellt Jegel den Kindern eine Frage: „Wie viele Menschen sterben jedes Jahr durch einen Haiangriff?“ Die Kinder raten. Schließlich erfahren sie: Es sind zehn. „Und wie viele Haie sterben durch Menschen?“ Die Kinder überbieten sich mit ihren Antworten. Tausend? 10.000? Eine Million? „100 Millionen Haie werden jedes Jahr von Menschen getötet“, so Jegel.

Die junge Biologin ist eine von rund 30 Mitarbeitern, die die Führungen betreuen. Für jedes Alter gibt es verschiedene Themen. „Am meisten nachgefragt sind Dinosaurier, weil sie die Kinder interessieren“, erzählt Zulka-Schaller. Hier brächten viele auch schon ein erstaunliches Wissen mit – allerdings stimmt nicht immer alles, was in den diversen Dinosaurierbüchern steht. Hier versuchen die Museumsmitarbeiter dann, die Dinge etwas zurechtzurücken.

Grundsätzlich finden Volksschulkinder die großen Tiere am spannendsten. „Hier sehen sie die Ausmaße. Wie groß ist eine Giraffe? Wie sieht ein Seeelefant aus der Nähe aus?“ Hier kann man auch Vergleiche anstellen. Schließlich bewegen sich diese Tiere nicht. Dass Kinder Angst haben, weil es sich um tote Tiere handelt, kommt so gut wie nie vor. Die Frage „Sind die echt?“ werde aber bei fast jeder Führung gestellt.

Umweltschutz als Thema

Je älter die Schüler werden, desto wissenschaftlicher wird der Zugang. Oberstufenklassen können sich hier unter dem Mikroskop Zellen ansehen oder ein Stierauge sezieren. Grundsätzliche Zielsetzung sei, Kinder und Jugendliche einmal mit dem Themenbereich Natur in Kontakt zu bringen, so Zulka-Schaller. Sehr beliebt ist auch der Umweltschutz.

Das große Plus des naturhistorischen Museums seien aber die vielen Objekte. „Wir können eigentlich alle Arten zeigen.“ Steht man vor dem Tier, kann man darüber sprechen, wo die Tiere leben, was sie brauchen, was man dazu beitragen kann, dass sie nicht aussterben. Vor allem aber: Man kann sie sich ganz genau ansehen.

Je kleiner die Kinder sind, desto mehr müsse man mit Angreifen und Bewegen arbeiten, sagt die Leiterin der Vermittlungsarbeit. Ein Beispiel dafür: das Programm „Steine in Bewegung“. „Wir spielen mit den Kindern einen Stein. Sie erzählen dabei die Geschichte dieses Steins, der Millionen Jahre alt ist, an den sich Algen anlegen, den das Meer irgendwann an Land spült.“

Die Schüler der Greiseneckergasse sind inzwischen bei der Vitrine mit den Robben angelangt. „Der Seeelefant ist die größte Robbenart“, erzählt Jegel. Wozu die langen Zähne sind, will sie von den Kindern wissen. „Zum Sich-Wehren?“, meint ein Bub. Ja, auch. Vor allem aber benutzt das Tier die Zähne, um im Sand nach Muscheln zu graben. Die frisst er dann schon auch einmal mitsamt der Schale. Und die Zähne funktionieren auch wie Eispickel, wenn sich der Seeelefant auf eine Eisscholle hinaufziehen will. Das werden sich die Kinder wohl sehr lange merken.

AUF EINEN BLICK

Angebote für Schulen:
Das Naturhistorische Museum bietet zahlreiche Führungen für Schüler von sechs bis 18 Jahren,
zum Beispiel: „Der Weg des Blutes“, „Von Sinnen“, „Tiere im Märchen“ oder „Wale und Delfine“

www.nhm-wien.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2010)

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