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Drohender Brexit: Die Milliarden suchen sich neue Ziele

Drohender Brexit: Die Milliarden suchen sich neue Ziele
Drohender Brexit: Die Milliarden suchen sich neue Ziele(c) APA/AFP/ISABEL INFANTES (ISABEL INFANTES)
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Im Vorfeld des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU ist der Immobilienmarkt in Aufruhr. Weil viele lieber woanders investieren, heißt einer der Gewinner Deutschland.

Der Baukonzern Porr macht die Pforten in London dicht: 2016 stieg Österreichs zweitgrößter Bauriese in Großbritannien ein – doch dann kam der Brexit. Die Abstimmung schickte das britische Bruttoinlandsprodukt auf Talfahrt, setzte das Pfund unter Druck und machte die Stimmung so trüb wie das Wetter auf der Insel. Auch auf dem Immobilienmarkt: Das Beratungsunternehmen KPMG erwartet, dass die Immobilienpreise um bis zu 20 Prozent fallen könnten, wenn es Ende Oktober tatsächlich zum Hard Brexit kommen sollte. Am stärksten wäre der Rückgang just in London, wo die meisten internationalen Anleger gekauft haben.

Ängstliche Anleger verkaufen

Das Thema wird auch auf der Expo Real in München eine prominente Rolle spielen, denn: Auf dem Wohnungsmarkt ist bereits im September die übliche Herbstrallye ausgeblieben – zum ersten Mal seit der Finanzkrise. Dennoch setzen viele Player weiter auf britisches Understatement. „Unsere Message an Anleger lautet: London selbst wartet nach wie vor mit perfekten wirtschaftlichen Kennzahlen auf“, sagt etwa Catherine McGuiness, Stadträtin der City of London. „Wir verlieren vielleicht einige Finanzdienstleister an die EU, bleiben aber das Finanzzentrum und der Start-up-Hotspot Europas.“ Tatsächlich gleicht das Brexit-Polittheater drei Jahre nach dem Votum mehr einer Seifenoper als einem Königsdrama. Viele milliardenschwere Immobilien-Investmentfonds bereiten sich auf den Brexit daher einfach vor, indem sie Prospekte ihrer Europa-Produkte um die Klausel „darf auch Investments in früheren EU-Mitgliedländern tätigen“ erweitern. Das soll verhindern, dass sie jene Milliarden, die sie auf der Insel einbetoniert haben, von einem Tag auf den anderen auf den Markt werfen müssen. Andere schwenken auf sicherere Anlageklassen um – etwa auf Hotels, denn London bleibt wohl auch ohne EU eines der beliebtesten Reiseziele der Welt. Aber es gibt auch Anleger, die sich aus Großbritannien verabschieden. Für opportunistische Investoren wie den auf hohe Erträge ausgerichteten französischen Immobilienfonds Corum der beste Zeitpunkt, um quer durch Großbritannien an Objekte mit Abschlägen von bis zu 40 Prozent zu kommen. „Wir kaufen derzeit aber nicht in London – dort sind die Preise noch zu hoch und werden erst fallen, wenn der Brexit tatsächlich Realität ist“, meint Frédéric Puzin, CEO von Corum. „Außerdem sind dort sehr viele internationale Käufer unterwegs, die Schnäppchen suchen. Doch außerhalb von London haben wir schon einige interessante Objekte gefunden, die mit langfristigen Mietverträgen durch starke Unternehmen glänzen.“

Sichere Häfen in der EU profitieren

Laut CBRE wird die Hälfte jener Jobs, die in der Londoner City wegfallen, in Frankfurt, Paris und Dublin neu geschaffen. Das zeigt: Selbst dann, wenn der Brexit keinen Crash auslöst, werden Milliarden aus britischen Immobilien abgezogen, um in Objekte in der EU zu fließen (siehe Kasten). So hat der bekannte Immobilienfonds Amundi angekündigt, komplett aus Großbritannien auszusteigen und auf Kontinentaleuropa umzusatteln. Am meisten werden von dieser Entwicklung große und als stabil geltende Immobilienmärkte profitieren.

Allen voran Deutschland: Der deutsche Immobilienmarkt hat Großbritannien bereits Ende 2018 überholt und zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Spitzenposition in Europa erobert. Auch österreichische Deutschland-Player haben ihre Portfolios deswegen aufgewertet – darunter die CA Immo. CEO Andreas Quint sieht sich dennoch nicht als Brexit-Profiteur: „Negativ ist das für uns sicher nicht, dem Standort Frankfurt hat der Brexit bisher gutgetan. Doch um ehrlich zu sein, weiß niemand, was wirklich kommen wird: Fragt man fünf Makler, hört man fünf Meinungen, wie die Auswirkungen konkret sein werden.“ In der Tat ist in der Immobilienbranche der Spruch „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“ mehr als ein Allgemeinplatz. „Alle haben jahrelang auf Risken in CEE geschaut, und dann fiel einem der Westen in den Rücken“, sagt Quint. „Brexit, Italien, die Gelbwesten in Frankreich: Alles neue Risikofaktoren.“ Corum-CEO Puzin kennt als Franzose viele Investoren, die auf den Champs Élysées gekauft haben und zusehen mussten, wie die gewalttätigen Gelbwesten-Proteste nicht nur ihre Fensterscheiben, sondern auch ihre Mieten zerbröselten. Er betont daher: „Auf dem Immobilienmarkt sollte man nicht Zukunftsfantasien kaufen, sondern Cashflow, langfristige Mietverträge und zuverlässige Mieter.“ Wenn das Geld pünktlich auf dem Konto ist, kann man alles verkraften – auch den härtesten Hard Brexit.

BREXIT MISCHT KARTEN NEU

Von jenen rund 300 Milliarden Euro, die Jahr für Jahr in europäische Immobilien fließen, entfiel früher traditionell ein Fünftel auf Großbritannien – damit war das Land die Nummer eins in Europa.

Das ist laut dem Beratungsunternehmen CBRE Brexit-bedingt vorbei: 2018 hat Deutschland UK erstmals knapp überholt. Im zweiten Quartal 2019 entfielen bereits 16,3 Milliarden Euro auf deutsche Objekte, Großbritannien landete mit lediglich 10,6 Milliarden Euro auf Platz zwei, gefolgt von Frankreich und den Niederlanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2019)

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