Kolumne zum Tag

Die ungehörten Nachrichten

Bis man sich zur Nachricht durchgekämpft hat, dauert es.
Bis man sich zur Nachricht durchgekämpft hat, dauert es.(c) imago images / Westend61 (Veam)
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Am Anfang wurden nur ein paar Nachrichten auf der Mobilbox nicht abgehört, weil klar war, worum es ging: „Ruf mich zurück“.

Am Anfang wurden nur ein paar Nachrichten auf der Mobilbox nicht abgehört, weil klar war, worum es ging: „Ruf mich zurück“. Da hat man ja schneller zurückgerufen, als es dauert, sich das anzuhören. Während so vieles schneller wird, bleiben die mit Telefonieren verbundenen Umstände erstaunlich lästig. Bis man sich zur Nachricht durchgekämpft hat, dauert es, man drückt immer 1 statt 3 (und umgekehrt), und dann ist nur ein Seufzen drauf, von jemandem, der zu spät aufgelegt hat. Oder Fluchen.

Inzwischen haben sich die „ungehörten“ Nachrichten, auf deren Anzahl die Mobilbox mit Strenge in der Stimme verweist, auf eine Menge gesteigert, die es unmöglich macht, sie jemals alle noch anzuhören. Das geht sich einfach nicht mehr aus, nervlich. Sie gesammelt zu löschen, fühlt sich aber ungehörig an und erinnert an eine Textzeile der Toten Hosen: „Wie klingt ein Lied, wenn es niemand hört?“ Mit dem Unterschied, dass es bei letzterem die Stimme von Campino ist und nicht die des zornigen Zustellers, der um 13.15 Uhr vor verschlossener Tür stand.

Irgendwann entwickelt sich aus der Abneigung, Nachrichten abzuhören, eine regelrechte Phobie, weil jene, die noch auf ein Band sprechen, selten etwas Positives zu berichten haben. Entweder hat man etwas versäumt (eine Lieferung, ein Treffen, einen Geburtstag, eine Deadline) oder wird zu etwas aufgefordert, was einen sicher nicht freut. Wenn die Schule angerufen hat, wünscht man sich nur, dass nichts passiert ist, während man mit zittrigen Fingern schon wieder die falsche Ziffer drückt und die Nachricht gleich löscht. Nachrichten von „unbekannt“ sind entweder von Euromillionen (selten), Meinungsforschungsinstituten oder vom Arzt, der dringend einen Befund besprechen will.

Es gibt nur eine Gruppe von Menschen, Großeltern und Kinder, deren Nachrichten einen unendlich rühren, und die immer wieder dasselbe sagen dürfen: „Ich hab' dich angerufen, aber du warst nicht da.“

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2019)

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