Morgenglosse

Die Waffenruhe für Nordsyrien könnte leider schnell als Farce enden

Donald Trump war wieder einmal nicht um große Worte verlegen. Doch die sogenannte Einigung hat ein paar gravierende Schönheitsfehler.

Donald Trump war wieder einmal nicht um große Worte verlegen. "Großartige Nachrichten aus der Türkei, Millionen Menschen gerettet", twitterte der US-Präsident, nachdem sein Stellvertreter Mike Pence in Ankara die "Einigung auf eine Waffenruhe" in Nordsyrien verkündet hatte. Die Türkei werde ihre Kampfhandlungen fünf Tage einstellen, damit sich die Kurdenmilizen 30 Kilometer weit hinter die Grenze zurückziehen könnten. Und wenn der Abzug vollzogen sei, dann könne es auch eine permanente Waffenruhe geben. US-Sanktionen gegen die Türkei seien dann hinfällig, erklärte Pence nach einem mehrstündigen Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Dem Gastgeber wird der Plan zweifellos gut gefallen. Denn dann hätte er sein Kriegsziel, die Errichtung einer 30 Kilometer tiefen Kampfzone, kampflos erreicht. Doch die sogenannte Einigung hat ein paar gravierende Schönheitsfehler. Es ist ja löblich, einen Waffenruhe zu vereinbaren, nur sollten dann alle Kriegsparteien am Tisch sitzen. Die Kurdenmiliz war jedoch offenbar nicht beteiligt. Es käme einer Kapitulation gleich, wenn sie ohne Gegenwehr auf ganzer Linie abzöge und die Errichtung der Pufferzone hinnähme. Die Kurden werden lediglich versuchen die Gelegenheit zu nutzen, ihre eingekesselten Truppen zwischen den Grenzorten Tal Abjad und Ras al-Ain herauszubekommen und vor der Vernichtung zu retten. Diesen schmalen Gebietsstreifen, nicht aber mehr meinte der Kommandant der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte, als er sagte, seine Einheiten würden die  Waffenruhe akzeptieren. 

Selbst der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu stellte nach der Pressekonferenz von Mike Pence öffentlich in Abrede, dass es einen Waffenstillstand gebe. Es handle sich lediglich um eine "Pause in den Operation'. Ansonsten zeigte sich Edogans Mann fürs Diplomatische in triumphalistischer Laune: "Infolge der geschickten Führungsqualitäten unseres Präsidenten bekamen wir, was wir wollten."

Zweitens müsste eine Waffenruhe überwacht werden. Doch die 2000 US-Soldaten nahe der syrisch-türkischen Grenze haben den Abzugsbefehl erhalten. Statt ihnen ist die syrische Armee in Begleitung russischer Sicherheitskräfte eingerückt, und zwar zum Teil auch in den 30-Kilometer-Gürtel, den Erdogan durch syrisches Territorium ziehen will. Müssen sich Assads Armee und ihre russischen Schutzherren jetzt auch aus der Sicherheitszone zurückziehen, damit die Waffenruhe hält?

Den Schlüssel in Nordsyrien halten mittlerweile die Russen in der Hand, nicht mehr die Amerikaner. Es kommt auf Kreml-Chef Putin an, nicht auf Trump. Doch Russland scheint in die Mike-Pence-Waffenstillstands-Show in Ankara ebenso wenig eingeweiht gewesen sein wie die Kurden, von Syriens Diktator Assad gar nicht zu reden.

Trump hat sich selbst aus dem Spiel genommen, indem er die US-Soldaten von der türkisch-syrischen Grenze abgezogen und damit grünes Licht für Erdogan gegeben. Sein Versuch, mit großer Geste nachträglich den Weltpolizisten zu spielen, kommt zu spät. Der amerikanische Erfüllungsgehilfe des türkischen Brandstifters als Löschmeister - dieses Theaterstück überzeugt wenig. 

Der Waffenstillstand, den US-Vizepräsident Pence und US-Außenmnister Pompeo in Ankara nach ihrem Gespräch mit Erdogan verkündet haben, könnte sich sehr schnell als Farce entpuppen. 

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