Streckhof

Burgenland: Haus im Obstgarten

Angepasst. Mit seinen hölzernen Schiebeläden „tarnt“ sich das Feriendomizil als Stadel.
Angepasst. Mit seinen hölzernen Schiebeläden „tarnt“ sich das Feriendomizil als Stadel.(c) Juri Troy Architects
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Den Streckhof und sein Potenzial haben Claus und Elisabeth Schneider erkannt. Ihr modernes Hideaway im Burgenland bringt Tradition, Schnaps und Natur in Einklang.

Das Haus der Schneiders liegt in Weingraben, einem kleinen Ort im Bezirk Oberpullendorf – in Struktur und Aufbau typisch für ein traditionelles burgenländisches Dorf: eine Hauptstraße, ihr entlang reihen sich Bäume und die traditionellen burgenländischen Häuser – sogenannte Streckhöfe. „Nicht überall stehen noch solche Streckhöfe, es gibt jetzt Lücken oder Bauten aus den 1970er-Jahren bis heute", erklärt Claus Schneider. „Streckhof" deshalb, weil diese Höfe typischerweise auf lang gestreckten, schmalen Grundstücken gebaut wurden, Mauer an Mauer mit den angrenzenden Höfen. So ergibt sich das traditionelle Straßenbild, eine Aneinanderreihung von schmalen Fassaden. Hinter dem Haupthaus, das an der Straße liegt, folgen üblicherweise ein Hof und weitere Gebäude wie Stadel, Werkstatt oder Ställe. Ganz hinten liegt meistens ein Obstgarten mit Apfel-, Marillen- und Zwetschkenbäumen.  

Im alten Stadel wird Schnaps gebrannt und bei Festen groß aufgetischt. Der Hausherr destilliert selbst.
Im alten Stadel wird Schnaps gebrannt und bei Festen groß aufgetischt. Der Hausherr destilliert selbst.Jury Troy Architects

Bei den Schneiders wurde das neue Haus dem Bestand hinzugefügt und liegt im Obstgarten des Streckhofes. Hier stehen viele schöne und alte Bäume, deren Früchte schon seit Generationen vor Ort verarbeitet werden – zu Schnaps, Most, Marmeladen oder Strudel. Schneider ist da keine Ausnahme. Er führt die Tradition der Obstverwertung weiter. Dafür wurde in einem Stadel eine Schnapsbrennerei gebaut und gegenüber im Hof ein riesiger Tisch aus Weißtanne für viele Gäste und Feste aufgestellt.

Erweitern, nicht zersiedeln

Schnapsidee war der Hausbau aber keine, ganz im Gegenteil. „Mein Mann ist Vorarlberger und ich bin Burgenländerin",  erzählt Elisabeth Schneider beim Rundgang. „Wir leben und arbeiten in Wien, doch wir sind beide auf dem Land aufgewachsen und haben ein großes Bedürfnis nach Natur. Am Wochenende oder im Sommer aufs Land fahren und Ruhe und Entspannung genießen zu können, war unser Ziel."

Die großzügige Küche geht direkt in den Garten über.
Die großzügige Küche geht direkt in den Garten über.Jury Troy Architects

Dass der Streckhof samt Garten Elisabeth Schneider übergeben wurde, ergab sich also gut, und es war naheliegend, dort, nur eine Stunde von Wien entfernt, einen Rückzugsort zu bauen. „Im alten Haus vorn lebt meine Großmutter, wir wollten zuerst unser Haus in den vorderen Bereich integrieren", erzählt Elisabeth Schneider. „Dann haben wir überlegt, das Haus in ein Wirtschaftsgebäude einzufügen. Und schließlich beides verworfen und das Haus in den Garten gebaut." So wurde ein neuer Hof geschaffen und die Tradition des kontinuierlichen Wachstums des Streckhofes fortgeführt. „Für uns ist es die perfekte Mischung aus Abgeschiedenheit und Anschluss zur Familie und zum Dorf."

»Wir wollten zeigen, dass man neue Häuser mit anspruchsvoller Architektur und großem praktischen Nutzen auch in einen traditionellen Hausbestand einfügen kann.«

Elisabeth Schneider

Die Anmutung des neuen Hauses, das nicht nur in der Einrichtung, sondern auch in seinem äußeren Erscheinungsbild bewusst auf Schnörkel verzichtet, passt sich – in moderner Interpretation – den für diese Gegend typischen Stadeln an. Überhaupt soll das Haus ein Zeichen sein: „Wir wollten zeigen, dass man neue Häuser mit anspruchsvoller Architektur und großem praktischen Nutzen auch in einen traditionellen Hausbestand einfügen kann – die Zersiedelung im ländlichen Raum führt dazu, dass alte, wunderschöne Ortskerne aussterben und durch Streusiedlungen an den Ortseinfahrten der Zauber dieser gewachsenen Strukturen zerstört wird", sagen die Bauherren.

Materialien wie früher

Für das von Architekt Juri Troy geplante Haus wurden auf ihren Wunsch ausschließlich natürliche und ökologische Materialien wie Zement, Kalk und Sand verwendet, die auch früher in dieser Gegend benutzt wurden. Der Ziegelbau kommt demnach ganz ohne zusätzliche Isolierung der Außenwände aus. „Es war jedoch nicht immer leicht, die richtigen Materialien zu finden und Handwerker, die damit in traditionellen Techniken noch arbeiten können", berichten die beiden.

In den Yogaraum und zur Entspannung mit Blick in die Natur führt diese Leiter
In den Yogaraum und zur Entspannung mit Blick in die Natur führt diese LeiterJury Troy Architects

Im Obergeschoß bietet die stattliche Raumhöhe von sieben Metern ein großzügiges Volumen, das Elternschlafzimmer und Arbeitsbereich überspannt. Auf der anderen Seite kraxelt man über eine Leiter in den Yogaraum mit Aussicht auf die umliegende Natur. Dass diese Aussicht eine tolle ist, liegt auch daran, dass die Schneiders den Baumbestand unbedingt erhalten wollten. „Die Bäume sind teilweise über 100 Jahre alt und sollen noch älter werden. Es war oft eine Herausforderung für die Firmen, die sich mit großen Maschinen, Lastwagen und Baggern vorsichtig durch den Garten vorarbeiten mussten." Die Mühe lohnte sich: Es wurde kein einziger Baum gefällt, zwei kleinere, junge Zwetschkenbäume wurden versetzt.

Hideaway mit Schiebeladen

Die Inneneinrichtung wurde aufs Wesentliche reduziert: „Wir wollten weder Lack noch Beschichtungen, Isolierungen oder sonstige Materialien auf Erdölbasis", sagen die Bauherren. Alles wurde vom Tischler aus Weißtanne, zum Teil sanft geölt, nach Maß angefertigt. Der Lehmputz an den Wänden im Erdgeschoß ist weiß, der Lehmkaseinboden (aus einer speziellen Lehmrezeptmischung mit Milcheiweiß) hellbeige, die Stiege und der Boden im Obergeschoß aus Weißtanne. „Viele der Materialien sind unbehandelt, unversiegelt und werden sich im Lauf der Zeit ändern und ‚abnutzen‘. Wir finden das gut, so ‚lebt‘ das Haus mit uns", sagt Elisabeth Schneider.

Die Küche ist ebenfalls aus Weißtanne gefertigt, die beiden Speisekammern sind in die Möbelwand integriert worden. Die Arbeitsplatte und die Rückwand  der Küche sind aus Carrara-Marmor, der Gasherd von La Cornue. Draußen gibt es auch eine Küche, aus Beton, eine Verlängerung der Kochstelle drinnen und im neuen Innenhof gelegen. Die natürliche Farbpalette aus gedeckten Erdtönen erstreckt sich auch auf die Textilien für Couch und Küchenbank und passt sich dem Gesamtkonzept an.

Geölte Weißtanne, Lehmputz und unversiegelte Böden.
Geölte Weißtanne, Lehmputz und unversiegelte Böden.Jury Troy Architects

Die Fliesen im Bad ebenso, sie wurden von Karak aus Schlins in Vorarlberg nach alter Brenntechnik speziell angefertigt. Die Schiebeläden an den Fenstern können komplett zugeschoben werden, so ist das Haus geschlossen und geschützt. Und wirkt dann ganz wie einer der Stadel in der Umgebung. Rundum herrscht absolute Ruhe, die Familie kann perfekt entspannen: Die Kinder auf der Hängematte und auf der Schaukel, die Großen in der gut bestückten Außenküche oder zwischen den Obstbäumen . . .

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