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Coworking Spaces: Großraumbüros der anderen Art

Paradocks
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Das Angebot und die Nachfrage nach Coworking Spaces in Wien wachsen beständig. Die Interessenten kommen nicht mehr nur aus der Jungunternehmer- und Einzelkämpfer-Szene.

Vereinzelt gibt es sie schon lang, in den vergangenen zwei bis drei Jahren sind Coworking Spaces auf dem Markt der Wiener Gewerbeimmobilien aber zu einer festen Größe geworden. „Ungefähr seit dieser Zeit ist die Nachfrage nach Flächen bemerkbar gewachsen“, berichtet Stefan Wernhart, Geschäftsführer der EHL Gewerbeimmobilien GmbH. Und das nicht nur seitens potenzieller Betreiber solcher Einrichtungen, sondern auch von klassischen Unternehmen, die bei der Suche nach neuen Büroräumen verstärkt darauf achten, dass solche Flächen in der Nähe sind.

Hohe Nachfrage

„Viele Unternehmen nehmen eine Übersiedlung zum Anlass, auch neue Arbeitsplatzkonzepte mitzudenken“, so der Makler. „Und da es immer mehr Projektarbeit gibt und die Mitarbeiterzahlen schwanken, sind vielen Firmen Coworking-Arbeitsplätze im Umfeld ihrer Standorte wichtig, um solche Schwankungen ausgleichen zu können.“ Gerade für ausgelagerte Entwicklungsabteilungen seien solche Optionen interessant, da sie oft neben dem reinen Arbeitsraum eine Community bieten, in der man sich austauschen und kreative Synergie-Effekte lukrieren kann.

Neben der Nachfrage ist aber auch das Angebot kontinuierlich gewachsen. Inzwischen finden sich in Wien allein auf der Übersicht der Jungen Wirtschaft Wien 100 solcher Zentren, in Niederösterreich listet die dortige Wirtschaftskammer 23 Coworking Spaces auf. Das Prinzip ist immer ähnlich: Wahlweise können Plätze an einem „Shared Desk“ – also einem Arbeitsplatz, der am Abend wieder geräumt werden muss –, ein fester Schreibtisch samt Rollcontainer oder einer anderen abschließbaren kleinen Einheit, gemietet werden, oder gleich ein ganzer Büroraum mit Tür zum Absperren. Gemietet werden kann tage-, wochen- oder monatsweise. In den Preisen, die bei zehn Euro pro Tag und Platz beginnen, monatlich aber auch über 1000 Euro für ein abschließbares Büro an bester Adresse betragen können, sind in der Regel alle Nebenkosten von WLAN über Heizung bis zur Reinigung enthalten, außerdem die Nutzung von Druckern, Kopierern und anderen Gerätschaften sowie der Gemeinschafts- und während einer bestimmten Stundenanzahl der Meeting-Räume. Und immer öfter eben eine Community, die durchaus zielgerichtet angesprochen wird, etwa aus der IT- oder der Kreativ-Szene, um den Austausch am Arbeitsplatz besonders sinnvoll zu gestalten.

Community-Perspektive

Zu den Pionieren auf dem Gebiet der Coworking Spaces in Wien gehört Stefan Leitner-Sidl, Mitbegründer und Geschäftsführer der Schraubenfabrik, die 2002 im zweiten Bezirk zu den allerersten Coworking Spaces in Wien gehörte – und bis heute gut ausgelastet ist. „Wir haben die Schraubenfabrik vor 15 Jahren für die Kreativwirtschaft gegründet, und wir betreiben sie bis heute aus der Community-Perspektive und stellen nicht nur die Infrastruktur zur Verfügung“, so der Gründer. In der Zwischenzeit hat sie zwei Töchter bekommen: vor zehn Jahren den Rochuspark an der Erdbergstraße, und vor zwei Jahren den Markhof, ebenfalls im dritten Bezirk. An deren Geschichte lässt sich auch die Marktdurchdringung in Wien ein wenig ablesen, wie Leitner-Sidl vorrechnet: „Die Schraubenfabrik und der Rochuspark waren innerhalb eines Jahrs voll ausgelastet, beim Markhof haben wir jetzt nach zwei Jahren gut 60 Prozent.“ Was deutlich mache, wie viel größer das Angebot heute ist, auch wenn in Wien im Verhältnis zu Berlin oder London noch viel Luft nach oben ist.

Zwischennutzung

Wobei Coworking Spaces mehr können als nur die Wünsche nach flexiblen, temporären Arbeitsplätzen für Jungunternehmer oder Ich-AGs zu erfüllen. Das zeigen die Locations des Packhauses, die mit einem Konzept der Zwischennutzung von Immobilien zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. „Für uns ist es das perfekte Modell“, meint Projektleiterin Margot Deerenberg. „Wir schließen kurzfristige Verträge für die Nutzung von leer stehenden Immobilien an tollen Locations, meist für ein gutes Jahr. Diese sind dann meist nicht ,bling-bling‘ renoviert, sondern haben manchmal noch einen 70er-Jahre-Charme oder den eines Bundesrechnungshofa“, schmunzelt sie. Dafür würden sie aber voller Ideen stecken, leistbare Arbeitsplätze bieten und als Nebeneffekt dabei helfen, Leerstände von Gewerbeimmobilien zu vermeiden, die ein wachsendes innerstädtisches Problem sind.

Mit dem Zwischennutzungskonzept schlägt das Packhaus zwei Fliegen mit einer Klappe: Der gewerbliche Leerstand wird reduziert, günstige Büroplätze werden geschaffen.
Mit dem Zwischennutzungskonzept schlägt das Packhaus zwei Fliegen mit einer Klappe: Der gewerbliche Leerstand wird reduziert, günstige Büroplätze werden geschaffen.Paradocks

Derzeit gibt es drei Packhaus-Standorte in Wien: am Heumarkt, in der Marxergasse und am Kanal im Elften, in denen insgesamt über 5000 Quadratmeter Workspace vermietet werden. Diese erfreuen sich offensichtlich bester Nachfrage: Wer etwas Größeres buchen möchte als einen Shared Desk, muss sich auf einer Warteliste eintragen.

INFO

Coworking Spaces wurden ursprünglich als eine Art kostengünstiges Desk-Sharing in der Kreativszene gegründet. Mittlerweile sind längst auch traditionelle Büroentwickler auf den Trend aufgesprungen und bieten die verschiedensten Varianten an. Ebenfalls gewandelt hat sich die Nutzerschicht: Waren es früher hauptsächlich Kreative und Einzelunternehmer, werden Coworking Spaces mittlerweile auch von großen Firmen gern als Ausweichquartiere gebucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2019)

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