Musikverein

Haydns Witz und Beethovens Wille

Jubel für Concentus Musicus, den Schoenberg-Chor und ausgesuchte Solisten unter Stefan Gottfried, der teils in Harnoncourts Fußstapfen tritt, teils eigene Wege sucht.

Das Verhältnis zu Lehrern und Vorgängern ist mitunter belastet. Beethoven zum Beispiel hatte nicht gerade die freundlichsten Worte für „Papa Haydn“ übrig. Er werde „Mozart's Geist aus Haydns Händen“ erhalten, hatte ihm Graf Waldstein prophezeit – allerdings unter einer Bedingung: „durch ununterbrochnen Fleiß“. Waldstein ging letztlich fehl mit dieser Prognose. Nicht um im Schatten einer uneinholbaren Vergangenheit das Fürchten zu lernen, sondern um der Musikwelt das Fürchten zu lehren, dazu war Beethoven nach Wien gekommen – und mit Fleiß tat er alles, um seinen Lehrer Haydn musikalisch zu überbieten. Deshalb erstaunt Beethovens ehrfürchtiger Tonfall, als der Fürst Esterházy eine Messe zum Namenstag seiner Frau bei ihm bestellt hatte – eine ihm bisher neue Gattung, in der der reife Haydn jahrelang mit erstrangigen Beiträgen zu genau diesem Anlass hervorgetreten war. Der Komponist schrieb dem Fürsten, dass „ich ihnen mit viel Furcht die Messe übergeben werde, da sie . . . gewohnt sind, die Unnachahmlichen Meisterstücke des Großen Haidns sich vortragen zu laßen“: Unterwürfigkeit – oder doch eine Art von Eingeständnis . . .

Warum die ganze Vorrede? Weil sich am Sonntagvormittag im Musikverein Facetten der Historie wiedererkennen ließen. Darin Beethoven nicht unähnlich, hatte einst auch Originalklangpionier Nikolaus Harnoncourt die Altvorderen zunächst das Fürchten gelehrt, bevor er allseits Liebe und Bewunderung hatte ernten dürfen. Das treue Publikum, teilweise ebenso verjüngt wie der Concentus Musicus, sieht und hört seit Harnoncourts Tod (2016) Stefan Gottfried dabei zu, wie er teils in dessen Fußstapfen hineinwachsen möchte, teils eigene Wege sucht. Und die verlaufen keineswegs so kurvenreich wie beim Vorgänger, sondern eher auf begradigter Linie – auch wenn Gottfried damit bei allem Fleiß nicht automatisch weiterkommt und man manchmal überhaupt eine andere Richtung bevorzugen würde.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.