Junge Forschung

Den Rollator attraktiver machen

Plan A ist für Melanie Roth aufgegangen: Sie wurde Gesundheitsforscherin. In Studien bezieht sie die realen Bedürfnisse ihrer Zielgruppe stets mit ein.
Plan A ist für Melanie Roth aufgegangen: Sie wurde Gesundheitsforscherin. In Studien bezieht sie die realen Bedürfnisse ihrer Zielgruppe stets mit ein. (c) Hannelore Kirchner
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Gesundheit und Lebensqualität stehen im Mittelpunkt von Melanie Roths Forschung. Aktuell will sie die Akzeptanz von wenig geliebten medizinischen Hilfsmitteln erhöhen.

Den Plan B hat Melanie Roth nicht umgesetzt. „Sport- und Bewegungswissenschaften zu studieren war eine Herzensentscheidung“, erinnert sich die Gesundheitsforscherin. „Aber das zusätzliche Lehramtsstudium für Sport und Mathematik war eher der Vernunft geschuldet. Sozusagen als Back-up, falls sich Ersteres als brotlos erweisen sollte.“

Als Studienassistentin am Interfakultären Fachbereich für Sport- und Bewegungswissenschaften der Paris-Lodron-Universität in ihrer Heimatstadt Salzburg konnte sie früh an Forschungsprojekten mitarbeiten. Dabei entdeckte sie ihr „Faible für analytische Vorgehensweisen“. Auch der Fokus auf Biomechanik, Bewegungsanalyse und Leistungsdiagnostik faszinierte sie. Ein Unterrichtspraktikum hat sie zwar absolviert, doch nach zwei Jahren als Gymnasiallehrerin begann sie an der Paracelsus Medizinischen Privatuni Salzburg mit dem Doktoratsstudium für medizinische Wissenschaften und untersuchte bildgebende Biomarker der Kniegelenksarthrose. „Die Anziehungskraft der Forschung war einfach größer.“

Vor Kurzem hat die 31-Jährige promoviert: Neben der Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege der FH Salzburg, wo sie am Zentrum Zukunft Gesundheit (ZZG) interdisziplinäre Forschungsprojekte leitet. Dabei spielen optimale Bewegungsabläufe ebenso eine Rolle wie das menschenzentrierte Design von Medizinprodukten oder die Förderung eines gesünderen Lebensstils bei chronischen Erkrankungen.

„Das Ziel ist immer eine bessere Lebensqualität“, sagt Roth. „Und das Interessante an den angewandten Gesundheitswissenschaften ist, dass sie so breit gefächert sind und nicht immer im selben Themengebiet verlaufen.“ Deshalb könne sie hier auch alle ihre zuvor erworbenen Kompetenzen einbringen. Es brauche stets die Expertise mehrerer Fachrichtungen, um Lösungen für die jeweiligen Problemstellungen zu erarbeiten. „Genau das geschieht am ZZG, weil wir hier die Forschungsbereiche verschiedener Studiengänge vernetzen.“

Bei der Entwicklung von Innovationen sei neben medizinischen, technischen und gestalterischen Aspekten das aktive Einbeziehen der Zielgruppen wesentlich. „Wenn wir z. B. Schulungsprogramme für Typ-2-Diabetes-Patienten, Smartphone-Apps oder Medikamentendispenser entwerfen, müssen wir uns intensiv mit den realen Bedürfnissen der Anwender und des Pflegepersonals befassen. Sonst designen wir an ihnen vorbei.“ In ihrem aktuellen Projekt REACT („REdesigning heAlth produCTs“) geht es um die Akzeptanz von Hilfsmitteln, die den meisten nicht sehr sympathisch sind. Warum verweigern ältere Menschen das Rollmobil, obwohl es ihr Leben erleichtern würde? Weshalb graut es vielen vor Inkontinenzartikeln, Bettpfannen oder Toilettenstühlen? „Die Betroffenen leiden schon an ihren Einschränkungen und einer reduzierten Lebensqualität“, erklärt Roth. „Wenn sie etwas benutzen müssen, was dies auch noch nach außen signalisiert, verstärkt das ihre Gefühle von Minderwertigkeit, Scham und Stigmatisierung.“ Darum haben Forschende und Studierende der Studiengänge Gesundheits- und Krankenpflege sowie Design und Produktmanagement vorhandene Gestaltungsdefizite erhoben und dabei acht Produkte zum Neudesign bestimmt. Erste Prototypen – wie etwa der optimierte Rollator „Skywalker“ – werden gerade getestet.

Sich auspowern und andere fordern

„Projekterfolge hängen stark mit dem Engagement Einzelner zusammen“, findet Roth. „Darum besetze ich Schlüsselstellen gern mit jenen, die gerade dieses Quäntchen mehr zu geben bereit sind, auf das es in der Wissenschaft ankommt.“

Zum Ausgleich für den anspruchsvollen Alltag zwischen Forschung, Projektleitung und Lehre für angehende Gesundheits- und Krankenpflegefachkräfte lädt sie nicht nur ihre eigenen Batterien am liebsten beim Sport auf, sondern gibt auch an zwei Abenden pro Woche Fitnesskurse am Salzburger Universitätssportinstitut. „Mich selbst auszupowern und zugleich andere zu fordern, liegt mir“, schmunzelt sie.

ZUR PERSON

Melanie Roth (31) hat an der Uni Salzburg Sport- und Bewegungswissenschaften studiert (zugleich mit Lehramt Sport- und Bewegungswissenschaften und Mathematik). Dabei spezialisierte sie sich auf Biomechanik. An der Paracelsus Medizinischen Privatuni in Salzburg promovierte sie im September in „Medizinische Wissenschaften“. Seit 2017 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FH Salzburg.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2019)

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