Wahre Totengräber des Wirtschaftsstandorts Österreich sind egoistische Manager.
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„For the many, not the few“ ist die Basis für gewerkschaftliche Lohnpolitik. Aber dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen ordentlichen Anteil vom wirtschaftlichen Erfolg bekommen, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis von sehr harten Kollektivvertragsverhandlungen.
Die gelebte Sozialpartnerschaft in den einzelnen Branchen ist Garant für den gesamtwirtschaftlichen Erfolg und sichert damit Arbeitsplätze. Das funktioniert aber nur, weil in Österreich 98 Prozent der Beschäftigten durch einen Kollektivvertrag abgesichert sind. Ein Spitzenwert in Europa, der mehr zur heimischen Wettbewerbsfähigkeit beiträgt, als es der Manager und Neo-Unternehmer Stephan Zöchling wahrhaben will.
Denn was passiert, wenn dieses sozialpartnerschaftliche Kollektivvertragssystem geschwächt wird, sieht man am Beispiel Deutschland. Weniger als 60 Prozent haben in unserem Nachbarland noch einen Kollektivvertrag, die Folgen sind Lohn- und Sozialdumping. Schließlich musste sogar der Staat mit einem gesetzlichen Mindestlohn eingreifen, um das Schlimmste zu verhindern.
Der gewerkschaftliche Kampf um mehr Verteilungsgerechtigkeit macht gerade für die hoch entwickelte österreichische Volkswirtschaft Sinn. Die Gewinne der Unternehmen steigen nach wie vor und die Produktivitätsfortschritte der Digitalisierung müssen auch den Beschäftigten zugutekommen. Wir brauchen ordentliche Lohnerhöhungen und faire kollektivvertragliche Mindestlöhne, um in einer abflachenden Konjunkturphase Wachstum und Beschäftigung zu stabilisieren.
Impulse für die Wirtschaft
Damit dies funktioniert, ist eine rasche Senkung der Lohnsteuer genauso unumgänglich. Die Menschen werden nur mehr ausgeben können, wenn sie auch mehr Geld im Börsel haben. Gleichzeitig treiben wir innovative Bildungs- und Arbeitszeitmodelle voran, um mehr Know-how und Mitbestimmung zu ermöglichen. Das sind die wichtigen Impulse für die Wirtschaft, für den Arbeitsmarkt und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Populistische Schreierei
Mit platten Angriffen gegen den ÖGB und gegen die Sozialpartnerschaft ist niemandem geholfen. Mehr noch: Das Perfide an dieser populistischen Schreierei ist ein von Egoismus getriebener Zerstörungswille. Ein demokratisch gewachsenes und erfolgreiches System soll dem Erdboden gleich gemacht werden. Weg mit den Kollektivverträgen, Schluss mit der Sozialpartnerschaft. Gewerkschaft? Sowieso unerhört!
Diese erkämpften Errungenschaften stören einen Unternehmer nur. Der eigene Profit wird schließlich verringert, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch am Fortschritt teilhaben können. Eine erschreckende Mentalität, die Herr Zöchling wiederholt bestätigt hat, auch in seinem Gastkommentar in der „Presse“. Nach einer zehnjährigen Phase des Aufschwungs mit entsprechenden Rekordgewinnen forderte er im Herbst allen Ernstes eine Nulllohnrunde für die Beschäftigten der Metallindustrie. Nicht einmal die Inflationsabdeckung wäre also aus seiner Sicht gerechtfertigt.
Darum ist es gut, dass die Leitlinien der österreichischen Lohnpolitik nicht auf solche Zurufer ausgerichtet sind, sondern etwa auf die Erfordernisse der Exportwirtschaft und Konsumnachfrage. Es geht also nicht um einzelne Manager, sondern um die vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Österreichs Wirtschaft erst erfolgreich machen.
Rainer Wimmer ist seit 2009 Bundesvorsitzender der Produktionsgewerkschaft und Chefverhandler bei den Kollektivvertragsverhandlungen für die Metallindustrie.
E-Mails an: debatte@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2019)