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"Jumanji: The Next Level": Nach drei „Leben“ ist Schluss

Wüstenbuggys und rabiate Strauße: Die Actionszenen in „Jumanji: The Next Level“ sind deutlich besser als vieles andere im spektakelwütigen Familienkino.
Wüstenbuggys und rabiate Strauße: Die Actionszenen in „Jumanji: The Next Level“ sind deutlich besser als vieles andere im spektakelwütigen Familienkino.(c) Sony Pictures
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In einer neuen „Jumanji“-Fortsetzung werden Figuren in eine Videospielwelt gesaugt. Das klingt nach Zeitgeist und Gamification, hat mit modernen Spielen aber nur wenig zu tun.

Alles wartet auf die Zukunft. Noch vor wenigen Jahren hatte man den Eindruck, die schnöde Wirklichkeit alsbald mit Virtual-Reality-Brillen und Augmented-Reality-Applikationen ein Stück weit hinter sich lassen zu können. Mittlerweile weiß man, dass diese Technologien nicht so „disruptiv“ sind wie erhofft und selbst Monster-Konzerne wie Google aufgegeben haben, sie zur Marktreife hochzuwuchten. Immerhin die so genannte Gamification konnte sich durchsetzen: Spielerische Elemente wie virtuelle Fortschrittsbalken und Medaillen greifen via Smartphone auf den Alltag über und versüßen profane Tätigkeiten wie das Training im Fitness-Studio oder die Raucherentwöhnung.

So gesehen trifft „Jumanji: The Next Level“ durchaus den Zeitgeist: Wie im Vorgänger, der sich 2017 zu einem Welterfolg mauserte (und der wiederum auf dem Abenteuerfilm „Jumanji“ aus dem Jahr 1995 mit Robin Williams basierte), werden Menschen in ein Videospiel gesaugt. Aber auch wenn die erneut von Jake Kasdan inszenierte Fortsetzung tricktechnisch hochgerüstet daherkommt, ist die dramaturgische Grundidee eine altmodische. Schon in E. T. A. Hoffmanns „Der goldne Topf“, erschienen 1814, reisen Erzähler wie Leser in ein „feenhaftes Reiche voll herrlicher Wunder“; Michael Ende gelang 1979 mit „Die unendliche Geschichte“ mit ähnlichem Konzept ein Welterfolg. All diesen Stoffen gemein ist, dass durch Immersion in eine fantastische Welt neue Perspektiven auf die eigene Wirklichkeit aufgerissen werden.

Sonderlich nachhaltig sind diese aber nicht notwendigerweise: Nur kurze Zeit nach seinem Abenteuer in der Jumanji-Welt darbt der panphobische Nerd Spencer (Alex Wolff) erneut in seinem tristen Alltag aus Supermarktregal-Schlichten und Beziehungskrise dahin. Bald repariert er die am Ende des ersten Films kaputt geschlagene Spielkonsole und verliert sich erneut in ludischen Gefilden. Seine Freunde reisen ihm gemeinsam mit seinem grantigen Großvater (wunderbar: Danny DeVito) und dessen ehemaligem Geschäftspartner (Danny Glover) zwecks Rettung nach.

Ein Greis in Dwayne Johnsons Leib

Wie in Videospielen üblich schlüpfen sie in Spielfiguren, die – nicht zuletzt zwecks komödiantischem Potenzial – möglichst wenig mit ihrem wirklichen Erscheinungsbild zu tun haben. Wenn DeVitos Greis in Dwayne Johnsons Muskel-Leib steckt oder ein College-Footballer den kugelrunden Jack Black steuert, dann ergibt das eine hervorragend gespielte Körperwechsel-Klamotte.

Schmähs und Geschichte des ersten Teils funktionieren nach wie vor: Das launige Figurenensemble, darunter Neuzugang Awkwafina als Meisterdiebin Ming Fleetfoot, muss die Jumanji-Welt vor dem Untergang retten. Diesmal gilt es, dem Tyrannen Jurgen the Brutal (Rory McCann) ein lebensspendendes Juwel abzuluchsen, bevor der die Apokalypse herbeiführt. Die Helden müssen sich dabei an klassische Videospiel-Regeln halten: Jeder Charakter hat Stärken und Schwächen sowie drei „Leben“. Sind die verbraucht, stirbt man nicht nur in Jumanji, sondern auch in der Wirklichkeit.

Erinnerung an Games der Achtziger

Pièce de résistance in derartigen Abenteuern ist die Action: Sowohl die Wüstenbuggy-Flucht vor einer rabiaten Straußenkolonie, die an „Mad Max: Fury Road“ denken lässt, als auch die Begegnung mit einer beißwütigen Affenhorde auf umher schwingenden Hängebrücken, die eins zu eins aus einem Videospiel stammen könnte, beeindrucken – und bestätigen, dass „Jumanji: The Next Level“ ein Eitzerl besser ist als die meisten anderen kindergerechten Großproduktionen. Dennoch fürchtet man nicht zu unrecht, dass wahrscheinliche weitere Fortsetzungen irgendwann denselben Kreativ-Bankrott anmelden müssen wie die bisherige Geldkuh des spektakelwütigen Familienkinos, „Nachts im Museum“.

Hoffentlich nutzt Regisseur Jake Kasdan die Feiertage zur Recherche von modernen Videospielen, die meistens avancierter erzählt, jedenfalls aber eindringlichere Erfahrungen bieten als dieses gutmütige Abenteuer. Dieses emuliert letztendlich nämlich vor allem Games und Filme aus den Achtziger- und Neunziger-Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2019)

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