Russische Gratiszeitung „Dawai“: Politik ist tabu

Der jüngste Spross der russischsprachigen Medienlandschaft in Österreich setzt auf Hilfe bei der Integration.

Klein und fein ist sie, die russischsprachige Medienlandschaft in Österreich. Vor einem halben Jahr bekam sie aber Zuwachs: „Dawai“, ein russischsprachiges Monatsblatt. Die Zeitung wird österreichweit vertrieben.

Bis dahin war „Sootetschestvennik“ – übersetzt „Landsmann“ – die einzige russischsprachige Zeitung des Landes. Dazu gab es die russische Zeitschrift „Neues Wiener Magazin“, beide werden nur in Wien vertrieben.

Der Markt für russischsprachige Medien sei groß, sagt „Dawai“-Herausgeber und Chefredakteur Denis Pimenov. Denn es gebe viele Russisch sprechende Menschen hier, von denen viele nicht so gut Deutsch sprechen – und sich mit dem Leben in Österreich nicht genügend auskennen. Zum Beispiel, wie man am besten die Jobsuche angeht, sei nicht allen klar. Hier will Pimenov Abhilfe schaffen. „Wir wollen, dass unsere Landsleute aktiver werden, deswegen bringen wir interessante und nützliche Informationen.“

Putin kommt nicht vor

Auch auf russischsprachige Touristen hat es „Dawai“ abgesehen. Deshalb gibt die Zeitung Einblicke in die österreichischen Sehenswürdigkeiten und Hotels. Bei der Bandbreite an Themen fehlt Politik bewusst. Wer in dieser Zeitung also Brisantes über Präsident Medwedjew und Premierminister Putin sucht, wird nicht fündig werden. „Wir konzentrieren uns auf Österreich und russische Touristen“, so Pimenov. Auch österreichische Politik wurde aus dem Themenspektrum verbannt, aber die komme vielleicht später noch, so der Chefredakteur. „Dawai“ heißt übersetzt „Los geht's“ und ist wohl eines der bekanntesten russischen Worte. „Wir hatten eine lange Liste an Namen und haben Wochen mit der Auswahl verbracht.“

Wie die meisten Migrantenmedien ist „Dawai“ gratis erhältlich. Das Feedback auf das neue Medium sei durchwegs gut, sagt Pimenov. Er bekomme Anrufe und Mails von Leuten, die „einfach Danke sagen“. Eine Erhöhung der Auflage ist bereits in Planung. Allein 100Ausgaben gehen zum Slawistik-Institut an der Uni Graz.

Wichtige Wörter in den Artikeln werden auf Deutsch übersetzt. Die Idee dahinter: Österreicher, die ein wenig Russisch sprechen, können es so leichter lesen und verstehen. Interesse daran bestehe schließlich, so Pimenov. Wie wäre es dann mit „Dawai“ gleich auf Deutsch? Um den russischen Landsleuten die deutsche Sprache näherzubringen und die Inhalte der Zeitung auch für interessierte Deutschsprachige zu öffnen? Pimenov: „Ja, das ist eine Option, wir haben noch viele Ideen. Aber dafür brauchen wir mehr Platz, dafür brauchen wir mehr Geld. Und das braucht Zeit.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2010)

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