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Dracula kennt das WLAN-Passwort

Claes Bang spielt den Grafen Dracula mit überraschend erdigem Charme.
Claes Bang spielt den Grafen Dracula mit überraschend erdigem Charme. (c) Netflix
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Die Macher der Kultserie „Sherlock“ haben sich diesmal des transsilvanischen Grafen angenommen. Das Ergebnis ist in Ordnung, das heißt: Wir sind etwas enttäuscht.

Eine Entwarnung zuerst: Das Gruseligste an der Serie ist der Trailer, der uns im Sekundentakt blutige, sich von den Fingern lösende Nägel und halbverfaulte Untote serviert, die entsetzten Lebenden ihre gierigen Hände entgegenstrecken. Das Zweitgruseligste ist der Beginn: Wir sehen den an Seele und Körper zerstörten Jonathan Harker, wie er von seinen Erlebnissen im transsilvanischen Schloss berichtet. Da fliegt ihm eine Fliege ins Auge, krabbelt munter und ungestört auf seiner Pupille herum und verschwindet dann hinter dem Augapfel, wo wir ihren Körper noch eine Zeit lang durchs Weiße durchschimmern sehen . . .

Der Rest der Serie ist dagegen vergleichsweise harmlos, immerhin werden hier Blut und verwesende Gliedmaßen stets mit einer kleinen Dosis Witz serviert. „I've been dying to meet you“, sagt da Dracula, bevor er zubeißt. Und seine Gegenspielerin hält ihn mit einem Hinweis auf die britische Etikette davon ab, sich sofort am nächsten Opfer gütlich zu tun. Also wirklich, das gehört sich nicht, vor dem Essen wird doch Konversation geführt!

Da sind wir schon in der letzten Folge der dreiteiligen Miniserie, die von BBC und Netflix gemeinsam produziert wurde, und Dracula ist mit einem kühnen Zeitsprung in der Gegenwart angekommen, von der er anfangs etwas überfordert ist – er wird sogar festgenommen! –, an die er sich aber überraschend schnell gewöhnt. Er klaut ein Handy, entlockt einem Wärter das WLAN-Passwort und engagiert via Skype einen Anwalt (gespielt übrigens von Drehbuchautor Mark Gatiss). Und siehe da, er kommt frei. Auch ein Vampir hat schließlich Bürgerrechte! Zumindest solang man ihm nicht nachweisen kann, dass er wirklich einer ist.

Diese dritte Folge ist die lustigste. Doch der Humor kann hier nur darüber hinwegtäuschen, dass den Autoren der Plot zu diesem Zeitpunkt längst entglitten ist.

Eine Nonne als Gegenspielerin

Dabei hat die Geschichte so raffiniert begonnen! So raffiniert und gewitzt, wie man sich das von den Autoren der Kultserie „Sherlock“, die Benedict Cumberbatch erst zum internationalen Star gemacht hat, erwarten durfte. Sie haben dem Grafen, der von Claes Bang mit erdigem Charme und wenig Sex-Appeal gespielt wird, eine Gegenspielerin ins Drehbuch geschrieben: Die mit den Untersuchungen der Vorgänge im vampirischen Schloss beauftragte Nonne Agatha legt eine ordentliche Portion Unerschrockenheit und eine Art heiteren Skeptizismus an den Tag, sie glaubt weder der Bibel noch dem, was man sich so landläufig über Vampire erzählt, und als der transsilvanische Gast vor der Pforte ihres Klosters steht, begreift sie das vor allem als willkommene Gelegenheit, die alte Mär zu überprüfen, dass Vampire ein Haus nur dann betreten dürfen, wenn sie hereingebeten werden.

Zwischen Nonne und Vampir beginnt also eine Art intellektuelles Kräftemessen, dem man mit wachsendem Interesse zuschaut. Wer ist gewitzter? Und wird sie letztendlich herausbekommen, warum er sich vor der Sonne fürchtet?

Die Auflösung fällt dann übrigens enttäuschend aus, aber wie das bei Enttäuschungen oft so ist: Wir hätten uns schlicht mehr erwartet.

„Dracula“: drei Folgen à 1,5 Stunden, Drehbuch von Mark Gatiss und Steven Moffat, mit Claes Bang, Dolly Wells.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2020)

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