Habsburg zur See war eine Großmacht

Der Reprint eines vaterländischen Prachtbandes begeistert heute noch.

Dass die habsburgische Monarchie auch eine Seemacht war, ist heute weitgehend vergessen. In den Annalen verzeichnet und heute noch im Gedächtnis verankert ist wohl das kühne Wagestück des späteren Vizeadmirals Wilhelm von Tegetthoff, der am 20.Juli 1866 die Seeschlacht von Lissa gegen Italien für sich entschied. Einen klingenden Namen hatte er sich schon 1864 als Sieger im Seegefecht vor Helgoland gemacht.

Doch auch an der Erkundung unserer Erde hat die österreichische Marine bedeutenden Anteil. Die geplante Expedition der Fregatte Novara nach China entwickelte sich zu einer wissenschaftlichen Erdumsegelung (vom 30.April 1857 bis 26.August 1859). Sie hat zur Kenntnis über unseren Globus ebenso beigetragen wie die wagemutige Polarexpedition der Österreicher Julius Payer und Carl Weyprecht, die 1872 starteten und 1874 glücklich heimkehrten. 250.000 begeisterte Menschen sollen die Mannschaft bei ihrer Ankunft vom Nordbahnhof in die Innenstadt begleitet haben.

All die gloriosen Taten der österreichischen Marineure hat der Vizeadmiral Alfred Freiherr von Koudelka in zwei glanzvollen Monografien (1899 „Unsere Kriegsmarine“ und 1908 „Unsere Kriegsflotte“) dargestellt. Die Neuauflage dieser Prachtbände ist ein Verdienst des Berndorfer Kral Verlags, das nicht hoch genug einzuschätzen ist.

Immer größer, immer teurer

Die kaiserliche Marine hat eine alte Tradition, die bis zum Ersten Weltkrieg freilich in Gigantomanie ausartete. Im Wettlauf der großen europäischen Reiche versuchte Österreich-Ungarn mitzuhalten. Der finanzielle Einsatz war enorm. Für die Produktion der letzten Großkampfschiffe vor 1914 waren Stahlpanzerplatten unabdingbar. Neben den Škoda-Werken machte auch die Witkowitzer Bergbau- und Hüttengewerkschaft des Bankhauses Rothschild fette Gewinne. Die Gußstahlfabrik beschäftigte 2200 Arbeiter, die Stahlblöcke von acht Tonnen fertigen konnten. 300 solcher Panzerplatten benötigte ein Schiff, was etwa 15 Monate dauerte.

Gebaut wurden die Schlachtschiffe fast alle von Stabilimento Tecnico Triestino in Muggia bei Triest. Über die Notwendigkeit derart kostspieliger Waffen zur See wurde aber in Österreich heftig debattiert. Auf 40 Millionen Kronen wurden vor dem Kriege die Kosten für ein derartiges Schlachtschiff geschätzt (circa 80 Millionen Euro).

Ein unrühmliches Ende

Das Ende dieser gewaltigen Streitmacht war so elend wie jenes der gesamten Monarchie. Nach vier Jahren Krieg, in den die Seestreitkräfte nur äußerst selten eingegriffen hatten, kam es zu Meuterei und schließlich zum Waffenstillstand. Am 30.Oktober 1918 übergab Kaiser Karl die Schiffe dem südslawischen Nationalrat, zwei Tage später gelang es italienischen Tauchern, das bedeutendste Flaggschiff, die Viribus Unitis, im Hafen mit Sprengstoff zu versenken. Damit endete auch symbolisch die Geschichte der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine.

„Die Bewahrung der Tradition erfolgt heute im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien, weitab des Meeres“, sagt dessen Direktor, Christian Ortner, „dennoch ist auch heute noch an den ehemals österreichischen Küsten, von Venedig bis Kotor, der Einfluss der kaiserlichen Marine mehr als deutlich sicht- und spürbar und vermittelt dem Reisenden einen nostalgischen Hauch der gewesenen Seemacht Österreich-Ungarn.“

Elmar Samsinger, M. Christian Ortner
„Unsere Kriegsflotte 1556–1908/18“
Kral, 360 S., 49,90 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2020)

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