Interview

„Die Urfassung ist romantischer, die Endfassung ist politischer“

Dominique Meyer.
Dominique Meyer.(c) REUTERS (Leonhard Foeger)
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„Es ist ein anderes Stück in einer anderen Stimmung“: Dominique Meyer, Direktor der Staatsoper, über „Leonore“.

Woher rührt Ihre große Liebe zu Beethovens „Leonore“?

Dominique Meyer: Ich habe diese Oper in den 1970er-Jahren durch eine Aufnahme entdeckt und war gleich von ihrer Schönheit begeistert. Schon in meiner Zeit als Direktor der Oper in Lausanne hatte ich den Wunsch, die in Ungnade gefallene Urfassung zu rehabilitieren. Man hat gesagt, dass es ein ungeschicktes Jugendwerk war – aber das sagten jene, die „Leonore“ gar nicht gehört hatten. Beethoven war 1805 wirklich kein Anfänger mehr, da hatte er schon mehrere wichtige Werke, darunter die „Eroica“, geschrieben – und die würde man nie als Arbeit eines Anfängers bezeichnen.

Oft heißt es, der Misserfolg bei der Uraufführung 1805 lag daran, dass Napoleon gerade in Wien einmarschiert war und der Adel nicht in Wien war. Was entgegnen Sie aber Kritikern, die meinen, dass es nicht nur daran lag, sondern dass „Leonore“ am Textbuch krankte oder zu anspruchsvoll war beziehungsweise, dass Beethoven nicht so viel Wert auf den Fluss der Handlung legte?

Das sagt man bei Uraufführungen immer, wenn man noch keinen Schlüssel für das Verständnis gefunden hat. Man hat dem Stück 1805 in Wahrheit keine Chance gegeben. Beethoven hat mit „Leonore“ einen wichtigen Schritt in Richtung Romantik gemacht, vieles weist hier schon in die Richtung, die Wagner und Weber später einschlagen sollten. In Wahrheit ist diese Oper ein großer Bruch – so wie zwischen zweiter und dritter Symphonie. Eine Zäsur in der Musikgeschichte.

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