Südeuropa droht ein wirtschaftlich verlorenes Jahrzehnt

Suedeuropa droht wirtschaftlich verlorenes
Suedeuropa droht wirtschaftlich verlorenes(c) AP (Lefteris Pitarakis)
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Die Wirtschaft in den südeuropäischen Ländern wird in den kommenden Jahren weiter schrumpfen oder nur leicht wachsen, schätzt "Ernst & Young". Der Euro wird Ende 2011 nur 1,05 Dollar wert sein.

Die Gefahr von Staatsbankrotten mag zwar nicht mehr unmittelbar akut sein, die Krise in der Eurozone ist aber noch lange nicht überstanden – so das Ergebnis der aktuellen Ausgabe des "Eurozone Forecast (EEF)" der Wirtschaftsprüfer und -berater von "Ernst & Young". Denn die europaweiten Sparanstrengungen der Regierungen führen dazu, dass die Prognose für das Wachstum in der Eurozone für 2010 von 1,0 Prozent auf 0,8 Prozent und die Prognose für 2011 von 1,6 auf 1,3 Prozent nach unten korrigiert wird.

Rezession in Südeuropa

Angesichts der im Mai angekündigten drastischen Pläne zur Verringerung der Haushaltsdefizite Griechenlands, Spaniens und Portugals wird erwartet, dass sich die Wachstumsschere in Europa noch weiter öffnen wird. Während für die nördlichen Kernländer der Eurozone (Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Belgien) für den Zeitraum 2010 bis 2012 ein durchschnittliches BIP-Wachstum von jährlich 1,7 Prozent erwartet wird, prognostiziert der EEF für die südlichen Länder im gleichen Zeitraum ein Negativwachstum von -0,1 Prozent.

PIGs ohne Irland

Infolgedessen wird das Pro-Kopf-BIP Griechenlands im Vergleich zum Eurozonen-Durchschnitt zurückgehen: von 89 Prozent im Jahr 2007 auf 83 Prozent im Jahr 2012. In Spanien lag das Pro-Kopf-BIP im Jahr 2007 bei 93 Prozent des Eurozonen-Durchschnitt – bis 2012 wird es auf 88 Prozent zurückgehen.

„Auf die südlichen Länder kommen nicht nur ein oder zwei harte Jahre zu. Sie müssen sich vielmehr auf mehrere Jahre mit sehr niedrigem Wachstum, wenn nicht sogar auf einen BIP-Rückgang einstellen“, so Marie Diron, Senior Economic Advisor für den Ernst & Young Eurozone Forecast. „Lediglich Irland, das häufig in einem Atemzug mit den Mittelmeerstaaten genannt wird, wird ab 2011 wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren. Griechenland, Spanien und Portugal hingegen werden ihr vor der Krise verzeichnetes Wachstumsniveau voraussichtlich erst 2014 wieder erreichen.”

Nordeuropa noch immer wettbewerbsfähig

Die Prognose für die nördlichen Länder der Eurozone fällt aus zwei Gründen verhältnismäßig optimistisch aus. Zum einen weisen Länder wie Deutschland und die Niederlande nach Jahren starker Produktivitätszuwächse und moderater Lohnpolitik eine hohe Wettbewerbsfähigkeit auf. Sie sind somit gut positioniert, um von einem globalen Aufschwung zu profitieren. Zum anderen sind die nördlichen Länder der Eurozone grundsätzlich in der Lage, auch tief greifende haushaltspolitische Maßnahmen zu bewältigen, sodass die jeweiligen Regierungen die Defizitreduzierung verstärkt vorantreiben können, ohne das Wachstum dabei wesentlich zu beeinträchtigen.

Arbeitslosigkeit wird weiter steigen

Die Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung wird zur Folge haben, dass sich Unternehmen bei Neueinstellungen vorerst abwartend verhalten. Die Arbeitslosenquote in der Eurozone wird bis 2012 auf ihrem gegenwärtigen Niveau verharren und läge selbst bei einem geringfügigen Rückgang auf 9,4 Prozent bis zum Jahr 2014 noch immer 2,0 Prozent über dem Wert von 2007. Die Arbeitslosenzahl wird weiter ansteigen und im ersten Halbjahr 2011 einen Höchststand von rund 16,8 Millionen gegenüber derzeit knapp 16 Millionen erreichen.

Blaues Auge für Österreich

Auch in Österreich ist erst in rund zwei Jahren eine Besserung der Lage zu erwarten: Die Arbeitslosenquote soll von 5,1 Prozent im Jahresdurchschnitt 2010 auf 5,4 Prozent im Jahr 2011 steigen – erst 2012 ist mit einer reduzierten Quote von 4,9 Prozent Entspannung in Sicht.

Die österreichische Wirtschaft wird im laufenden Jahr um 1,2 Prozent wachsen, im kommenden Jahr 2011 um 1,6 Prozent. Gegenüber der April-Ausgabe des EEF wurden die Konjunkturaussichten für Österreich damit auch für das Folgejahr leicht nach unten korrigiert: Damals lag das für das Jahr 2011 prognostizierte Wachstum noch bei 1,8 Prozent.


„Trotz der Eurokrise erholt sich die österreichische Wirtschaft weiter recht kontinuierlich – wenn auch etwas langsamer als noch im Frühjahr erwartet. Dies ist der steigenden Auslandsnachfrage, der guten Entwicklung unseres wichtigsten Exportpartners Deutschland und auch dem niedrigen Euro zu verdanken“, beobachtet Helmut Maukner, Country Managing Partner von Ernst & Young in Österreich. Eine deutliche Eintrübung des Wirtschaftsklimas in den europäischen Nachbarländern würde aber auch in Österreich die Erholung bremsen: „Die Stabilisierung der Gemeinschaftswährung ist von großer Bedeutung, da mittel- und langfristig nur so das notwendige Vertrauen für die für Österreich so wichtigen Außenhandelsbeziehungen gewährleistet werden kann.“

Euro wird auf 1,05 Dollar sinken

Laut EEF wird der Euro gegenüber dem US-Dollar zum Jahresende 2011 auf 1,05 US-Dollar fallen und dann im Zuge einer Wachstumsbeschleunigung in der Eurozone wieder leicht zulegen. Effektiv bedeutet dies, dass der Euro gegenüber einem Währungskorb, der die Handelsstruktur der Eurozone abbildet, von seinem Kurshoch zu Jahresbeginn ausgehend rund zwanzig Prozent an Wert verlieren wird. Diron begründet dies folgendermaßen: „Die anhaltende Besorgnis über die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen einiger Länder der Eurozone und deren mangelnde Bereitschaft, die für die Krise ursächlichen Probleme zu beseitigen, belasten den Euro stark. Der Euro notiert derzeit unter 1,20 Dollar. Das ist der niedrigste Wert seit Anfang 2006 und fast zwanzig Prozent unter dem zu Beginn 2010 festgestellten Kursniveau.“

Angesichts der eingetrübten Wachstumsaussichten und fehlender Inflationsrisiken geht der EEF davon aus, dass die EZB die Zinsen bis Mitte 2011 unangetastet lassen wird.

(Red. )

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