Kunstgeschichte

Berge als Sitz der Götter und Zeichen des Göttlichen

Der Kailash, die schneebedeckte Kristallpyramide im Westen Tibets.
Der Kailash, die schneebedeckte Kristallpyramide im Westen Tibets.Ondřej Zváček/CC BY 2.5/CC BY 2.5
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In vielen Kulturen faszinieren markante Berge die Menschen. Einmal sind sie Wohnort der Götter (Olymp), dann Ziel der Pilgerreisen (Kailash) oder ein bewunderter Anblick (Fujiyama). Von ihrer Erscheinung geht eine transzendentale Faszination aus.

Es ist die besondere historische Begebenheit, die außerordentliche Höhe oder die morphologische Markanz: Bergen wie der Fujiyama, Kailash, Olymp, Sinai, Athos oder Mont Saint Michel wird in unterschiedlichen Kulturen eine religiöse Relevanz bis hin zur Verehrung als Sitz der Götter zugeschrieben. Für den Innsbrucker Kunsthistoriker Thomas Steppan haben die Unzugänglichkeit und Unwirtlichkeit der Berge, die Monumentalität sowie das durch Unwetter hervorgerufene Grauen zur Mystifizierung und Mythenbildung beigetragen.

Steppan, Leiter des Instituts für Kunstgeschichte der Uni Innsbruck, und Monika Fink vom Innsbrucker Institut für Musikwissenschaft beschäftigen sich mit dem Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“. Nach einer ersten Tagung 2014 und einer zweiten Konferenz im November 2019 in Innsbruck werden nun Publikationen über die heiligen Berge herausgegeben. „Die Menschen haben versucht, die Berge zu begreifen und haben ihnen eine individuelle Wesenshaftigkeit zuerkannt“, sagt Steppan.

Die Gipfel der Berge wurden in früheren Jahrhunderten gemieden. Noch heute ist die Besteigung des heiligen Berges Kailash strikt verboten. Seine Umrundung (der Panikrama) wird aber von Pilgern des Buddhismus, Hinduismus, Jainismus und der Bön-Religion als religiöser Auftrag gesehen. Noch vor 70 Jahren war der Pilgerweg rund um den Kailash Andersgläubigen strikt untersagt, wie dies der österreichische Bergsteiger Herbert Tichy, der verkleidet diesen Pilgerweg beging, in einem seiner Bücher beschrieb.

Eines der Forschungsfelder von Thomas Steppan betrifft die heiligen Berge der byzantinischen Welt. Das führt ihn zu den Klöstern auf den bizarren Felsnadeln im nordgriechischen Thessalien, die in früheren Zeiten nur mit aufgezogenen Körben erreicht wurden und deren Bau heute noch Rätsel aufgibt. „Der Topos ,Meteora', der Berge zwischen Himmel und Erde, dient als Metapher, dass die Klöster gleichsam im Transzendenten schweben“, so Steppan.

Die 20 Klöster, die Mönchsdörfer und Einsiedeleien auf dem Berg Athos (so der Name der Halbinsel wie auch der 2033 m hohen Bergspitze) werden im Gesamten als heiliges Territorium gesehen. Schon ab Saloniki weisen Straßenschilder den Weg zum Ágion Óron.

Der Kailash inspiriert Musiker

Für die Musikwissenschaftlerin Monika Fink spielt die Mystifizierung von Bergen in der Musikgeschichte eine bedeutende Rolle. Seit dem 19. Jahrhundert nehmen Komponisten in ihren Werken auf markante Berge Bezug. Fink hat drei in den vergangenen 20 Jahren entstandene Kompositionen, die sich auf den Kailash – „Den heiligsten aller Berge“ – beziehen, untersucht. Das sind Werke des deutschen Komponisten Andreas Fischer, des Inders Ramesh Shotman und des Amerikaners Terry Riley. Die Musikwissenschaftlerin: „Auch beim Komponieren zu einem realen Bild, nämlich einem Berg, spielen Fragen nach dem Anlass und der persönlichen Nähe zwischen dem Komponisten und dem Gegenstand, den er in Musik setzt, eine Rolle.“

Der reale Berg, in diesem Fall der Kailash, könne ebenso wie ein Bild nur auf einer metaphorischen Ebene oder als Inspirationsquelle für einen Komponisten dienen oder als ästhetisch essenziell zu betrachten sein. Seine Kailash-Komposition „Higher Ground“, so Monika Fink, habe Andreas Fischer auf Grundlage tibetischer Mönchsgesänge aufgebaut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2020)

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