Kommentar

Auf zur nächsten Justizposse!

Es war durchaus bizarr: Bei einer Rede vor seiner Partei AKP sagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Mittwoch: Die Justiz habe nun einmal entschieden, dass der Regierungskritiker Osman Kavala weiterhin in U-Haft bleibe, und diese Entscheidung müsse man hinnehmen.

Es handelt sich bei Erdoğan auch um jenen Präsidenten, der gern seinen Unmut äußert, wenn die Gerichte nicht nach seiner Façon urteilen. Die Justiz und die türkische Regierung: Es ist ein Trauerspiel. Die AKP beeinflusst die Rechtssprechung und behindert jene Juristen, die sich dagegenstemmen.

Mit den Freisprüchen am Dienstag, die die Angeklagten im sogenannten Gezi-Prozess entlasteten, kam Ankara dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zuvor; von einer politischen Intervention ist auszugehen.

Nur Kavala bleibt von allen Gezi-Angeklagten in Haft. Die Regierung braucht ihn als Feindbild, und ganz so weißwaschen sollen die Gerichte die für die AKP unangenehmen Gezi-Proteste von 2013 nun auch wieder nicht. Wie bei George Soros auch stellen die Feinde des liberalen Mäzens Kavala diesen als dunklen Strippenzieher dar. Die Gezi-Proteste soll er nun doch nicht orchestriert haben – und so lauten die neuen Vorwürfe, er stecke mit dem Prediger Fethullah Gülen hinter dem Putschversuch 2016. Situationselastische Anpassung einer Anklage. Es wartet die nächste Justizposse.

duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2020)

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