Kritik

So gut spielte in Wien zuletzt nur Horowitz

Yefim Bronfman (Archivbild).
Yefim Bronfman (Archivbild).(c) imago/CTK Photo
  • Drucken

Yefim Bronfman ließ im Musikverein Dynamit explodieren – mit Rachmaninows „Elefantenkonzert“.

Es beginnt so harmlos, als hätte der Komponist nicht bis drei zählen können: eine schlichte, wehmütige Melodie in Oktaven, jedoch keine russische Schablone oder gar Folklore – das Thema habe sich einfach von selbst komponiert, soll Sergej Rachmaninow lakonisch gesagt haben. In diesen paar Noten steckt jedoch Dynamit, dieses d-Moll-Konzert (1907) gilt als die größte Herausforderung für die besten Virtuosen. Yefim Bronfman hat dafür alle Voraussetzungen: Kraft, Brillanz, Rasanz, artistische Technik, einen edlen und vollen Ton, Klangnuancen von lyrischer Keuschheit bis zu Blitz- und Donnerschlägen, Akkordgewittern, als müssten die Elemente explodieren. Nichts scheint bei diesem bulligen 62-Jährigen Selbstzweck zu sein, seine Persönlichkeit und sein Vortrag zeigen Stil und Geschmack. Seit den besten Stunden eines Lazar Berman und Horowitz' legendärem letzten Wien-Konzert (1987) war solch hochkarätiges Klavierspiel nicht zu hören.

Die meisten Noten in einer Sekunde?

Rachmaninows drittes Klavierkonzert wird mitunter Elefantenkonzert genannt, was ebenso wenig aussagt wie eine skurrile Untersuchung, dass in ihm angeblich die meisten Noten in einer Sekunde untergebracht sind. Es ist tatsächlich ein Wurf und ein Hochseilakt, erfüllt von Luft und Aura eines großen Salons, als dieser noch nicht verpönt oder schlecht besucht war. Bronfman bewältigte es mit einzigartiger Übersicht, Vehemenz und Durchschlagskraft. Die Wiener Symphoniker versuchten unter der aufmerksamen Anleitung von Lahav Shani, in Tonfall und Farben mitzuhalten, ohne ganz einem billigen Hollywood-Sound zu verfallen. Shani ist immer noch Erster Gastdirigent bei den Symphonikern, seine musikalischen Botschaften sind verbindlich und nett, jedenfalls besteht keine Gefahr, dass sie unter die Haut gehen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.