Gastkommentar

Die Kapitulation ist keine Option, dazu ist die Seuche zu gefährlich

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TOPSHOT-SKOREA-CHINA-HEALTH-VIRUSAPA/AFP/ED JONES
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Was nun wirklich nottut sind Maßnahmen, die Firmen vor Insolvenzen retten. Noch wichtiger ist es aber, direkt gegen die Seuche vorzugehen, wie China es tat. Dabei darf es an Geld nicht fehlen.

Der Kampf gegen das Corona-Virus ist ein Krieg. China scheint eine Schlacht gewonnen zu haben. Hong Kong, Taiwan, Singapur und Japan, erfahren im Umgang mit SARS, haben sichtbare Erfolge. Europa und die USA sind indes gerade erst dabei, von ihrem Traum der Unverwundbarkeit zu erwachen, denn nun wütet die Epidemie auch dort. 

Das am schlimmsten von der Krise betroffene Land der westlichen Welt ist Italien, das besonders regen Austausch mit China pflegte. Italien ist das zweite Wuhan. Es hat eine ähnliche Zahl von Einwohnern und die gleichen Probleme. Die italienische Regierung hat deshalb die Notbremse gezogen und das ganze Land unter Quarantäne gestellt. Bis auf Apotheken und Lebensmittelgeschäfte sind alle Läden zu. Die Leute sollen zuhause bleiben, und nur noch für notwendige Einkäufe und den Weg zu Arbeit dürfen sie den öffentlichen Raum betreten. Eine Vielzahl privater und öffentlicher Zahlungsverpflichtungen wie Miet- und Zinszahlungen sind  suspendiert. Man versucht, die ökonomische Uhr zu verlangsamen, damit der Virus sich totläuft. 

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Deutschland hat bislang nur eine Handvoll Corona-Tote, doch schnellen die Infektionszahlen so rasant in die Höhe wie überall auf der Welt. Die deutsche Regierung hat ein Kurzarbeitergeld eingeführt und Kredithilfen, Bürgschaften oder Steuerstundungen für bedrängte Unternehmen gewährt. Überall im Land werden die Veranstaltungen abgesagt. Die Grenzen nach Italien sind schon längst von den Österreichern geschlossen worden. 

»Nicht alle Maßnahmen sind zielgenau, und viele sind nicht radikal genug. «

In den USA hat Kalifornien den Notstand ausgerufen. Der Kongress hat ein mehrere Milliarden schweres Notfallprogramm zur Eindämmung der Seuche beschlossen. Chinesen wurde schon früh die Einreise verwehrt. Nun dürfen auch Europäer nicht mehr kommen. 

Nicht alle Maßnahmen sind zielgenau, und viele sind nicht radikal genug. Bedenklich ist die Teilkapitulation mancher Regierungen, die sich ostentativ damit begnügen, die Durchseuchung der Gesellschaft zu verlangsamen, anstatt sie zu verhindern. Die Gefahren, die bei der nun schon sicheren Überlastung der Krankenhäuser drohen, sind enorm. 

Eine heftige Rezession ist nicht mehr zu vermeiden. Viele Ökonomen schließen daraus, dass man dagegen nun mit nachfragestimulierenden Maßnahmen angehen solle. Diese Position überzeugt nicht wirklich, denn die Weltwirtschaft leidet nicht unter einem Nachfrage-, sondern unter einem Angebotsmangel. Es fehlt an Menschen auf den Arbeitsplätzen, weil sie krank sind oder sich richtigerweise in Quarantäne befinden. In einer solchen Situation würden Maßnahmen zur Belebung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage allenfalls einen Inflationsschub auslösen. Es käme zu einer Stagflation wie schon in den 1970ger Jahren während der Ölkrise, als ein anderer wichtiger Produktionsfaktor fehlte.  

Aber nicht nur das, nachfragestimulierende Maßnahmen könnten sogar kontraproduktiv sein, denn sie würden dem gesundheitspolitisch Gebotenen entgegenwirken, weil sie die Kontaktaufnahme der Menschen fördern. Was sollte zum Beispiel ein Land wie Italien davon haben, wenn man den Leuten mehr Geld in die Hand gibt, damit sie mehr einkaufen können, wenn die Epidemiologen sagen, dass die Läden geschlossen bleiben und die Menschen zuhause bleiben sollen.

Ähnliches gilt für Liquiditätshilfen. Die Welt schwimmt ohnehin schon in Liquidität, und bekanntlich sind die Zinsen überall in der Nähe von Null oder gar negativ. Noch mehr Zinssenkungen in den tiefroten Negativbereich würden vielleicht den Börsen helfen, doch zugleich würden sie einen Run auf das Bargeld erzeugen.

Der Börsencrash war unter diesen Umständen unvermeidbar.  Die Zentralbanken haben ihr Pulver bereits zur Unzeit verbraucht und sind verantwortlich für die Blase, die Corona nun platzen ließ. Der Crash ist das Ergebnis einer unverantwortlichen Politik des leichten Geldes und der Vergemeinschaftung der Haftungsrisiken.   

Was nun wirklich nottut sind Maßnahmen, die die Firmen und Banken vor Insolvenzen retten, damit sie nach der Überwindung der Seuche wieder durchstarten können. Steuererleichterungen und Bürgschaften gehören zu den Mitteln der Wahl. Als beste Maßnahme bietet sich das in Deutschland schon seit langem bewährte Kurzarbeitergeld an, mit dem die Unterbeschäftigung der Belegschaft ähnlich wie die Arbeitslosigkeit kompensiert wird und das kaum etwas kostet, weil es die echte Arbeitslosigkeit vermeidet. Das sollten die Länder dieser Welt kopieren.

Noch wichtiger ist es, direkt gegen die Seuche vorzugehen, wie China es tat. Dabei darf es an Geld nicht fehlen. Die Kapazität der Intensivstationen der Krankenhäuser muss erweitert werden, neue Behelfs-Krankenhäuser müssen aus dem Boden gestampft werden, Beatmungsgeräte, Schutzanzüge und Masken müssen unter großem Einsatz produziert werden. Die Betriebe und andere öffentliche Räume müssen ständig desinfiziert werden. Sauberkeit ist das Gebot der Stunde. Großflächige Virustests sind einzuführen, die wesentliche Teile der Bevölkerung erfassen und noch möglichst viele der Infizierten identifizieren. Jede einzelne Identifikation rettet viele Menschenleben. Die Kapitulation vor der Seuche ist keine Option. Dazu ist sie zu gefährlich für die Menschen.   

Der Autor

Hans-Werner Sinn, Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität von München, war Präsident des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung und Berater des deutschen Wirtschaftsministeriums. Sein jüngstes Buch hat den Titel Gefangen im Euro.

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