Dichtung und Wahrheit

Hotelbewertungen: „Die Dusche war für vier zu klein“

In der Luxushotellerie muss alles top sein. Beschwerden kommen, wenn, eher von Schnäppchenjägern.
In der Luxushotellerie muss alles top sein. Beschwerden kommen, wenn, eher von Schnäppchenjägern.Getty Images/Enes Evren
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In der Zeit nach Corona wird die Tourismuslandschaft mit neuen Themen konfrontiert sein. Aber die alten Fragen werden bleiben. Über den Umgang mit Bewertungen und Beschwerden im Netz.

Der Gast des nachhaltigen Naturhotels beschwert sich, dass im Jänner zum Frühstück keine Erdbeeren gereicht werden; jener des Hundehotels darüber, dass der Wirt zu den Hunden freundlicher ist als zu den Herrln, und bei dem Türkei-Urlauber, der spitz anmerkt, dass die Dusche für vier Leute zu klein sei, will man eigentlich gar nicht so genau wissen, was das Problem war. Als Hotelier kann man sich das nicht ersparen, denn die 2010er waren das Jahrzehnt, in dem der Stern der Online-Bewertungsportale aufging, und deren Macht wird in den 2020ern weiter zunehmen. Auch in Österreich kann es sich heute kein Hotelier mehr leisten, sie zu ignorieren. „83 Prozent der Buchenden verwenden mittlerweile die Bewertungen, um die richtige Unterkunft auszuwählen, 80 Prozent lesen mindestens sechs bis zwölf Bewertungen, bevor sie eine Buchungsentscheidung treffen, und 53 Prozent buchen erst dann, wenn sie die Bewertungen gelesen haben“, kennt Markus Schauer, Geschäftsführer von MS Plus, die Zahlen. Der Berater schult im Auftrag der Österreichischen Hoteliersvereinigung heimische Hoteliers im Umgang mit den so wichtigen Gästefeedbacks, denen sich inzwischen kaum mehr jemand entziehen kann.

Allein auf der deutschsprachigen Plattform Holidaycheck.de finden sich 16 Millionen Bewertungen, auf dem internationalen Marktführer Tripadvisor 800 Millionen – und damit ist es lang nicht getan. „Außerdem gehören noch Google, booking.com und Expedia zu den großen Portalen“, weiß Melanie Fraiss, Director of Operations im Hotel Altstadt Vienna. Deren Beobachtung und Bearbeitung gehört zu den täglichen Aufgaben des Marketings. „Das ist einfach ein wahnsinnig wichtiger Bestandteil des Qualitätsmanagements.“

Viel hilft viel

Rund 80 Feedbacks bekommt das Hotel pro Monat – angesichts von lediglich 45 Zimmern eine stattliche Anzahl. Denn wer das System verstanden hat, strebt möglichst viele dieser Reviews an, da die Abwesenheit von Meinungen in der Wahrnehmung der Onlinebucher keinesfalls positiv ist. „Der Gast denkt sich quasi: Keine Bewertungen ist gleich keine Gäste“, weiß Schauer, außerdem stechen negative Bewertungen dann besonders kritisch hervor. Also geht es auch darum, zufriedene Gäste – die in der Regel den Großteil ausmachen – dazu zu animieren, ihre Meinung abzugeben, etwa indem man ein Kärtchen zur Rechnung dazulegt mit der Bitte, doch eine Bewertung abzugeben. „Oder eine entsprechende Bitte samt QR-Code auf Bierdeckel oder Servietten druckt oder dem Gast nach der Abreise ein E-Mail mit der Bitte um eine Bewertung schickt“, nennt Schauer Beispiele eines professionellen Reputationsmanagements. Und diese Bewertungen soll man dann auch entsprechend würdigen, denn nicht nur negative Bewertungen, sondern auch positive sollten unbedingt beantwortet werden. „Wenn sich ein Gast schon die Mühe macht und sich die Zeit nimmt, gehört es einfach dazu, dass man sich bedankt“, ist auch Fraiss überzeugt. „Das ist schließlich für uns Werbung nach außen.“

„Chefin ist eine Hexe“

Schwieriger wird es naturgemäß, wenn das eigene Haus kritisiert wird, denn das läuft fast nie ohne Emotionen ab, wie Schauer weiß. Zumal vor dem Hintergrund, dass neben der Qualität der Betten und Bäder durch die Gäste auch noch die Chefs der Häuser von den Angestellten auf Plattformen wie Kununu bewertet werden – und darüber hinaus wirklich unsachlich und persönlich werden, um es vorsichtig zu formulieren. Schauer hat hier schon viel gesehen und begleitet und seinen Kunden dabei die unterschiedlichsten Strategien ans Herz gelegt. Zu den Tiefpunkten gehörte dabei die Mitteilung: „Der Wirt geht gern fremd“ – was sich aber nach Rücksprache mit der Plattform löschen ließ. Manchmal ist es aber viel sinnvoller, negative Bewertungen mit Humor zu nehmen und sogar in einen Kommunikationsansatz zu verwandeln. „Wir hatten den Fall, dass ein Gast schrieb: ,Die Wirtin ist eine Hexe und psychisch gestört‘“, erinnert er sich. „Woraufhin der Chef postete: ,Geahnt haben wir es schon immer, aber jetzt haben wir es auch schriftlich.‘“ Und in der Rezeption eine Hexenfigur aufgehängt wurde, die dann schon einmal beim Check-in für ein Gespräch sorgte – und die Einsicht: „Schau, die sind gar nicht so.“

Emotionsfrei antworten

Citytrip: Am Rooftop-Pool in Barcelona
Citytrip: Am Rooftop-Pool in BarcelonaREUTERS/ALBERT GEA

Bei nachvollziehbaren oder zumindest sachlichen Kritikpunkten gehe es vor allem darum, persönliche Emotionen aus dem Spiel zu nehmen und freundlich-professionell darauf einzugehen. „Natürlich kann man als Mitarbeiter nicht immer nachvollziehen, was Gäste schreiben, und erinnert sich ganz anders an die Situation“, so Fraiss. „Aber es geht im Grunde auch nicht nur darum, dem einen Gast zu antworten, sondern vor allem um die anderen Gäste, die diese Antwort auch lesen.“ Ganz leicht sei das nicht immer, vor allem, wenn man persönlich angegriffen werde, „denn schließlich lieben wir alle unser Produkt“, so die Hoteldirektorin. Grundsätzlich werden aber die Hintergründe von Beschwerden intern rekonstruiert, und falls etwas schiefgelaufen sein sollte oder es sich um ein Missverständnis handelt, gibt es natürlich auch eine Entschuldigung. Völlig falsche Anschuldigungen werden aber sachlich und professionell richtiggestellt, persönliche Angriffe auf Mitarbeiter nicht geduldet.Und manchmal muss auch bei aller Freundlichkeit die Reißleine gezogen werden, etwa dann, wenn User der Meinung sind, dass Bewertungsplattformen eine wunderbare Möglichkeit sind, sich ein paar Freebees zu erpressen oder ihren persönlichen Kleinkrieg mit (konkurrierenden) Hoteliers auszutragen. „Erpressen lassen muss sich niemand“, betont Schauer, und falsche Behauptungen können betroffene Hotels auch durchaus löschen lassen. Etwa dann, wenn unwahre Tatsachen behauptet oder Persönlichkeitsrechte verletzt werden, es sich um Fake-Bewertungen des Mitbewerbs handelt oder Beleidigungen und Schimpfwörter darin vorkommen. Wobei allerdings gar nicht immer eine böse Absicht dahintersteht, wie Schauer weiß, sondern manchmal auch schlichte Verwechslungen. „Wenn sich der Gast denkt, es wird schon nicht so viele Tiroler Stuben geben, und dann die falsche bewertet, kann man das auch melden und löschen lassen.“

Maulende Schnäppchenjäger

Grundsätzlich entstehen schlechte Bewertungen dann, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden“, weiß Christoph Taussig von der ÖHV-Akademie. „Und häufig hat der Gast die Beschwerden auch schon vorab im Hotel geäußert, wo man die Kritik bereits hätte abfangen können.“ Wobei es manchmal schlicht an falschen Erwartungen liege. Denn die Einsicht, dass man bei einem günstigeren Produkt eventuell weniger erwarten kann als bei einem hochpreisigen, ist nicht bei allen Bewertenden gegeben. „Meine Erfahrungen aus einem hochpreisigen Hotel sind die, dass wir die meisten Beschwerden und Kritiken dann bekommen haben, wenn wir die Zimmer in der Nebensaison besonders günstig hergegeben haben“, kennt er die Realität. „Von den Gästen, die am meisten bezahlen, bekommt man häufig die besten Bewertungen.“

Bewerten, beschweren

Reputationsmanagement. Laut einer Studie der ÖHV sagen 76 Prozent der Reisenden, dass sie bereit seien, für ein Hotel mit besseren Bewertungen mehr zu zahlen. Außerdem zeigt diese Umfrage, dass bei einem Hotel, dessen Bewertung um einen Punkt auf der üblichen Bewertungsskala von einem bis fünf Punkten stieg, die Zimmerpreise um über elf Prozent gesteigert werden können. Und dies bei gleichbleibender Belegung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2020)

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