Interview

Marthe Cohn: „Alles war noch in meinem Kopf“

„Chichinette“, kleine Nervensäge, wurde Marthe Cohn genannt, weil sie nie locker ließ. Nun erzählt ein Dokumentarfilm ihre Geschichte.
„Chichinette“, kleine Nervensäge, wurde Marthe Cohn genannt, weil sie nie locker ließ. Nun erzählt ein Dokumentarfilm ihre Geschichte. Amin Akhtar / laif / picturedesk
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Mit fast 100 Jahren reist Marthe Cohn um die Welt und erzählt ihre Geschichte: Wie sie jahrzehntelang verschwieg, dass sie Spionin war, warum sie diese Geschichte spät doch publik machte und, wie sie heute Deutschland und die Schuldfrage sieht.

Die winzige, weißhaarige Greisin tourt wie ein Rockstar durch die Welt und erzählt ihre unglaubliche Lebensgeschichte mit viel Humor. Mit ihren 99 Jahren gilt Marthe Cohn als Superstar der „WWII witnesses“. Sie wurde damals „Chichinette“, kleine Nervensäge, genannt, weil sie nie locker ließ. Die französische Jüdin wuchs im lothringischen Metz auf und sprach so akzentfrei deutsch, dass der französische Geheimdienst sie 1944 anheuerte. Ihre Mission: Sie sollte sich nach Deutschland einschmuggeln, sich als Deutsche ausgeben und die Stellungen der Nazis auskundschaften. In den letzten Monaten des Krieges gelang es ihr zweimal, wichtige Informationen über Standort und Strategie der Deutschen zu erfahren, sodass die Alliierten schneller siegen konnten. Regisseurin Nicola Alice Hens erzählt nun im Dokumentarfilm „Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde“ Marthe Cohns Geschichte, die sie 60 Jahre lang geheim gehalten hatte.

Marthe, warum haben Sie so lange verschwiegen, dass Sie beitrugen, den Zweiten Weltkrieg schneller zu beenden?

Marthe Cohn: Das ist einfach, es gab dafür gleich mehrere Gründe. Der Erste: Wenn man für einen Geheimdienst arbeitet, unterzieht man sich einer Gehirnwäsche, damit man nie, aber auch nie über seine Tun spricht. Der zweite Grund: Ich hatte keinerlei Dokumente, die bezeugten, was ich im Krieg getan hatte. Beim Geheimdienst bekommt man nun einmal keine Arbeitszeugnisse. Aber 1997 oder 1998 rief man mich von einem Militärarchiv in der südfranzösischen Stadt Peau an. Ein Colonel lud mich ein und händigte mir meine Dokumente aus. Seither habe ich Beweise.

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