EU-Gipfel

EU-Kommission will nach Corona-Gipfel EU-Budget massiv anheben

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Die EU-Kommissionschefin will dies über Garantien der EU-Staaten erreichen.

Die EU-Kommission will zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise das EU-Budget deutlich anheben. Die Obergrenze des mehrjährigen EU-Finanzrahmens müsste für zwei bis drei Jahre von derzeit 1,2 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens auf rund zwei Prozent angehoben werden, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach dem EU-Videogipfel am Donnerstag.

Die EU-Kommission könne so Gelder aufnehmen, die dann über das EU-Budget an die EU-Staaten fließen würden. Vier Bereiche sollen dabei Priorität haben, sagte von der Leyen: Kohäsion und Investitionen, die bisherigen Schwerpunkte wie der "Green Deal" zum Klimaschutz und Digitales, drittens die Krisenfestigkeit und "strategische Autonomie" der EU, sowie - in geringerem Ausmaß - die Unterstützung der Nachbarschaft der EU.

Die Staats- und Regierungschefs beauftragten die EU-Kommission damit, ehestmöglich einen Vorschlag für die Gestaltung eines Wiederaufbaufonds zur Bewältigung der Corona-Krise vorzulegen. In diesem solle die Verbindung zu dem EU-Budget geklärt werden, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel nach dem EU-Videogipfel.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach sich nach dem Videogipfel der Staats- und Regierungschefs gegen Transferzahlungen beim Wiederaufbau nach der Coronakrise aus. Es müsse "klar sein, dass die Mittel des Wiederaufbauplans von den jeweiligen Mitgliedsländern in weiterer Folge zurückgezahlt werden sollen und Österreich nicht die Schulden von anderen EU-Mitgliedsstaaten übernimmt", betonte der Kanzler in einer Pressemitteilung. Zugleich versicherte er den von der Coronakrise stark betroffenen Ländern Solidarität. "Wir sind darüber hinaus bereit, im Rahmen eines Wiederaufbauplans zum Wiederaufbau der Wirtschaft in Europa Unterstützung zu leisten", so Kurz.

Die Debatte zum sogenannten "Recovery Fund" sei hart zwischen der Forderung nach Krediten und Zuschüssen verlaufen, hieß es in Ratskreisen. Für Kredite hätten sich Österreich, Niederlande, Schweden und Dänemark stark gemacht, nicht zurückzahlbare Subventionen forderten demnach Spanien, Italien, Frankreich und Portugal. Die Höhe und Dauer des Fonds seien ebenfalls umstritten.

Die Kommission soll am 6. Mai einen Vorschlag auch für das EU-Budget machen, sagten Diplomaten. Es gehe darum, eine Ausgewogenheit zwischen Krediten und Zuschüssen zu erzielen, lautet der Vorsatz von der Leyens.

Der EU-Gipfel billigte zudem das bereits von den Euro-Finanzministern beschlossene Rettungspaket in Höhe von 540 Milliarden Euro. Das Corona-Hilfspaket soll ab 1. Juni 2020 zur Verfügung stehen, so Michel. Das Paket umfasst Hilfen im Umfang von 240 Mrd. Euro aus dem Rettungsschirm ESM. 200 Mrd. Euro sollen als Kredite über die Europäische Investitionsbank (EIB) kommen und 100 Mrd. Euro über das EU-Kurzarbeitsprogramm SURE.

Die Finanzminister der EU würden weiterhin die wirtschaftliche Situation beobachten und den Boden für eine "robuste Erholung" bereiten, sagte Michel. "Wir sind weiterhin bestrebt, die notwendigen Impulse für die Arbeit am Wiederaufbaufonds sowie am MFR (dem mehrjährigen Finanzrahmen der EU, Anm. zu geben", so der EU-Ratspräsident.

Die EU-Spitzen stimmten am Donnerstag auch dem gemeinsamen Fahrplan für einen Rücknahme der Corona-Notfallmaßnahmen zu, den die EU-Kommission als Ausstiegsstrategie vorgeschlagen hat. "Wir stimmten alle darin überein, dass die Gesundheit und Sicherheit unserer Bürger zuerst kommen", sagte Michel. Besonders in Hinblick auf die kommende Sommersaison wolle man die Situation genau beobachten und die Koordinierung einer "schrittweise und geordnete Rücknahme" der Beschränkungen - darunter Grenzschließungen - sicherstellen. Das Wohlergehen in einem EU-Landes hänge von jedem anderen Mitgliedsstaat ab, so der EU-Ratspräsident.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erwartet noch schwierige Diskussionen über finanzielle Hilfe für EU-Staaten in der Corona-Pandemie. "Es gibt Meinungsverschiedenheiten", sagte Macron laut dpa nach dem Videogipfel. In einigen Staaten gebe es Grundhaltungen und politische Zwänge, die zu "sehr harten Positionen" führten.

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte forderte beim EU-Gipfel, den geplanten Fonds zum Wiederaufbau nach der Corona-Krise mit 1,5 Billionen Euro auszustatten. Die Gelder sollten als "Subventionen" ausgezahlt werden, gaben italienische Nachrichtenagenturen Contes Äußerungen laut AFP wieder.

Die Grünen sehen nun den Weg für ein Anleihen-Programm der EU-Kommission frei gemacht. EU-Delegationsleiterin Monika Vana verlangte, dass die Gelder nicht als Kredite ausgegeben werden und EU-Parlament als auch nationale Parlamente in die demokratischen Kontrolle eingebunden werden. Die Warnung der EZB müsse ernst genommen werden, erklärte Vana.

EZB-Chefin Christine Lagarde forderte beim Gipfel rasches Handeln. Das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone könnte wegen der Corona-Pandemie schlimmstenfalls um bis zu 15 Prozent schrumpfen, mahnte Lagarde nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Französin warnte die EU-Staats- und Regierungschefs, sie riskierten unter Umständen "zu wenig zu spät" dagegen zu tun.

Auch für den EU-Delegationsleiter der SPÖ Andreas Schieder haben die EU-Staats- und Regierungschefs mit ihrer Zustimmung zum Corona-Hilfspaket noch nicht "mehr als das Pflichtprogramm" erfüllt, da die Ausgestaltung des Wiederaufbaufonds offen sei. "Es ist unverantwortlich, wenn die Regierungschefs diese wichtige Frage weiter hinauszögern", so Schieder. Was Europa jetzt brauche, seien "rasche, klare und großzügige Finanzmittel".

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, (ÖVP) beurteilte die Ergebnisse gemischt. Der "EU-Gipfel hat Lackmustest (noch) nicht bestanden. Altes 540 Mrd. € Feuerlöschwasser zum dritten Mal verkauft. Roadmap ist positiv. Tag der Entscheidung verschoben", twitterte Karas.

(APA)

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