Sikhs brauchen keinen Friedhof

Grabsteine sind tabu, die Asche wird meist nach Indien überführt.

Für Sikhs gibt es keinen Grund, Angst vor dem Tod zu haben, denn das Ende steht für einen neuen Anfang im Kreislauf des Lebens. Dementsprechend ist der Tod ein normaler Vorgang: „Der Verstorbene wird, wenn möglich, aus dem Spital nach Hause mitgenommen“, sagt Harjot Singh, Pressebeauftragter der Sikh-Gemeinde in Wien.

Das unterscheide die Tradition der Sikhs vom gängigen Vorgehen in Österreich, bei dem der Verstorbene im Spital bleibt. Man verabschiede sich im Kreis der Familie. Meist wird am Ort, wo der Tod eintrat, gebetet. Onkar Singh, Sikh-Priester in Wien, erklärt: „Es geht darum, in jedem Moment in Einklang mit der Schöpfung zu leben.“ Dementsprechend seien in den Überlieferungen der Sikhs nur wenige, dafür klare Hinweise für eine Todeszeremonie zu finden. „Die Leiche eines Sikh wird verbrannt. Das ist das Beste für die Umwelt.“ Grabsteine und Ähnliches sind gegen die Vorschriften des Sikh-Glaubens. Traditionell wird die Asche in einen nahen Fluss verstreut.

Aus religiöser Perspektive könnte die Asche aber überall auf der Welt verstreut werden. Auch in die Donau. „In Österreich verbieten dies Gesundheitsauflagen“, sagt Onkar Singh. Deswegen werde der Verstorbene oder die Asche nach Indien überstellt. Bevor jedoch eine Verbrennung in Wien stattfinde, müssen oft lange Wartezeiten in Kauf genommen werden. Zwei Monate waren es im Fall der verstorbenen Mutter des Priesters – zu lang, meint Harjot Singh, da Verstorbene im Regelfall innerhalb von 24 Stunden verbrannt werden.

Lange Wartezeiten

In Österreich hätte man sich an die Wartezeiten gewöhnt. Die Zeremonie unmittelbar vor der Verbrennung werde dann mit den Zuständigen des Krematoriums am Zentralfriedhof besprochen. Diesbezüglich setze sich die Bestattung Wien für eine größtmögliche Vielfalt ein und sei offen für Kundenwünsche, bestätigt man in der Servicestelle. Die Angehörigen der einzelnen Religionsgemeinschaften wüssten am besten, was zu tun sei: „Selbstgestaltung ist für die Hinterbliebenen wichtig. Die Asche kann mitgenommen werden, das regeln die Gesundheitsauflagen der Wiener MA 40.“

Die Urne ins Ausland zu bringen sei abhängig vom jeweiligen Land und ohne vorherige Formalitäten nicht möglich. Meist sei eine Bestätigung der Botschaft einzuholen. Aus Zollgründen werden die Urnen versiegelt. In Wien gibt es Vereine, bei denen über regelmäßige Beiträge schon im Vorfeld alle Kosten abgedeckt werden können. In der Sikh-Gemeinde sammle man für jede einzelne Überführung. Bleibt Geld übrig, so komme dies den Hinterbliebenen zu.

Hinterbliebene, die ihre Art der Verabschiedung in Österreich nicht unbegrenzt ausleben können: „Bei uns wäscht man Verstorbene persönlich, um sich zu verabschieden“, sagt Harjot Singh. Hierzulande gebe es dafür nicht immer Verständnis – und vor allem oft nicht die nötigen Einrichtungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2010)

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