Türkei

Erdoğan facht Spekulationen über Neuwahl an

Erdogan (li) mit dem Chef des Religionsamtes, Ali Erbas.
Erdogan (li) mit dem Chef des Religionsamtes, Ali Erbas.REUTERS
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Der Präsident attackiert die Opposition und will die eigene Wählerbasis mobilisieren. Seine Beliebtheitswerte sind in der Krise trotz schrumpfender Wirtschaft gestiegen. Strebt der Staatschef frühzeitig ein neues Mandat an?

Istanbul. Es ist ein alter Trick, aber in der Türkei hat er für Recep Tayyip Erdoğan bisher noch immer funktioniert. Zuerst bringt er die säkulare Opposition mit extrem konservativen oder islamistischen Parolen auf die Palme, dann attackiert er seine Gegner als gottloses Gesindel, um die eigenen frommen Wähler zu mobilisieren – und gewinnt die nächste Wahl. Derzeit tobt eine Debatte über den Chef des staatlichen Religionsamtes, der gesagt hatte, Homosexualität sei krank. Einige Oppositionspolitiker und Beobachter vermuten, der 66-jährige Staatschef bereite vorgezogene Neuwahlen vor.

Religionsamtschef Ali Erbaş hatte Ehebruch und Homosexualität als unislamisch und als mögliche Ursachen für Seuchen bezeichnet. Erdoğan stellte sich hinter den Behördenchef und attackierte die Opposition mit den Worten, jeder Angriff auf das Religionsamt sei ein Angriff auf den Staat und den Islam. Schon vor der Kontroverse um Erbaş hatte Erdoğan seine Fernsehauftritte in der Corona-Krise zu parteipolitischer Rhetorik benutzt. Mitte April sagte er, die Kritik an der Regierung von Medien und Opposition sei „gefährlicher als das Virus“.

Nun, da die gefährlichste Phase der Pandemie in der Türkei überwunden scheint, könne sich der Präsident versucht sehen, sich ein neues Mandat der Wähler zu sichern, vermuten Oppositionspolitiker. Nach anfänglichen Fehltritten hat die Türkei die Ausbreitung des Virus so weit im Griff, dass die Regierung über Lockerungen der Ausgangssperren nachdenkt. Die täglichen Zahlen von Neuinfektionen und Todesfällen sinken, kleinere Geschäfte und Restaurants sollen demnächst wieder öffnen dürfen, Ausgangssperren werden gelockert: An diesem Sonntag sollen erstmals seit Wochen die über 65-jährigen wieder für ein paar Stunden aus dem Haus dürfen. Möglicherweise spekuliere Erdoğan darauf, dass diese Bilanz von den Wählern belohnt werde, sagte ein Politiker der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP der Internetplattform Gazete Duvar.

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