Junge Forschung

Zellmembranen mit Antenne

„Ich liebe Herausforderungen“, erklärt Anita Emmerstorfer-Augustin ihre Entscheidung für das anspruchsvolle Forschungsthema Zellmembranen.
„Ich liebe Herausforderungen“, erklärt Anita Emmerstorfer-Augustin ihre Entscheidung für das anspruchsvolle Forschungsthema Zellmembranen.Helmut Lunghammer
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Anita Emmerstorfer-Augustin erforscht die molekularen Wechselwirkungen innerhalb von Zellmembranen. Nur wenn diese reibungslos funktionieren, geht es der Zelle gut.

Berkeley war wie ein Katalysator“, findet Anita Emmerstorfer-Augustin. So entscheidend habe der Aufenthalt auf dem gleichnamigen Campus der University of California ihren beruflichen Weg geprägt. „Dort habe ich mich erstmals intensiv mit Zellmembranen und Membraneiweißen beschäftigt.“ Und abgesehen von der Inspiration, die allein schon die Nobelpreisträgerdichte an der amerikanischen Spitzenuniversität mit sich bringt, hatte die Biotechnologin nach ihrer Heimkehr vor knapp zwei Jahren auch ein konkretes Forschungsinteresse im Gepäck: Lipid-Sensing. Dabei geht es um die Art und Weise, wie in Zellmembranen enthaltene Eiweiße einen weiteren essenziellen Membranbestandteil, die Lipide, erfühlen und so die Intaktheit des Lipidhaushalts überwachen. Dieser ist maßgeblich für den Zustand einer Zelle.

„Membrane unterteilen das Zellinnere in Funktionseinheiten und grenzen es nach außen ab“, erklärt die 33-Jährige. „Sie bestimmen, welche Stoffe in die Zelle hinein- und aus ihr hinausgelangen, ob und wie sie sich teilt und wie Zellen untereinander kommunizieren.“ Aufgebaut sind sie aus Millionen verschiedener Lipide und Eiweiße, die durch molekulare Wechselwirkungen aneinander haften. „Ähnlich wie ein Ölfilm, der auf Wasser schwimmt.“

Komplexes molekulares Puzzle

Zu den Lipiden zählen unter anderem Fette, wie wir sie aus Nahrungsmitteln kennen. Je nach Zellart stecken mehrere Tausend von ihnen, die jeweils sehr spezifische Aufgaben erfüllen, wie in einem komplexen 3-D-Puzzle fest zusammen. „Fehlt auch nur ein Lipid, oder stellt die Zelle eines fehlerhaft her, kann das für diese Zelle das Todesurteil bedeuten.“ Folglich müsse die Membran noch unbekannte Mechanismen besitzen, um dies zu verhindern. „Wir gehen davon aus, dass Membraneiweiße Sensoren besitzen, mit denen sie die Zusammensetzung, Beschaffenheit und Unversehrtheit dieser Lipide buchstäblich erfühlen können.“

Seit Jahresbeginn baut Emmerstorfer-Augustin ein Labor am Institut für Molekulare Biotechnologie der Technischen Universität (TU) Graz auf. Hier hat sie promoviert, und hierher ist sie nach ihrem Berkeley-Aufenthalt als Postdoc zurückgekommen. Gefördert durch das neue Programm Young Researcher Group der Bio-Tech-Med Graz, einer Kooperation von Uni Graz, Med-Uni Graz und TU Graz, leitet sie eine eigene Forschungsgruppe.

Mit Membranen zu experimentieren, sie zu isolieren und zu visualisieren ist schwierig. „Die Einflüsse von Lipidstörungen kann man meist nur indirekt untersuchen.“ Emmerstorfer-Augustin wählte einen neuen Ansatz: Sie stellt Sterole, die zu den wichtigsten Lipiden in Zellmembranen zählen, künstlich her. „Wir haben einen speziellen Hefestamm so weiterentwickelt, dass er statt des eigentlichen Hefesterols das menschliche Hauptsterol produziert, nämlich Cholesterin.“ Die Forscher generieren so eine lebensfähige Zelle und untersuchen deren Reaktionen auf unterschiedliche Sterolzusammensetzungen. Das ist interessant für die Medizin. „In der Pharmaindustrie spielt die Regulierung des Cholesterinhaushalts eine große Rolle, zudem sind Hefemembranen und deren Sterole primäre Angriffspunkte für Antibiotika.“

In der Wissenschaft hat die Steirerin ihre Berufung gefunden. Obwohl sie zunächst enttäuscht gewesen sei, als sie nach der Matura eine Absage für eine Physiotherapeutinnen-Ausbildung bekam. „Aber mein spontaner Entschluss, Technische Chemie mit Fokus auf Biotechnologie zu studieren, hat sich bald als goldrichtig erwiesen.“ Lange Arbeitstage und gescheiterte Experimente würden durch die Leidenschaft für die Sache kompensiert, schildert sie. Man brauche eben einen langen Atem, um zu forschen. „Aber das Gefühl, etwas als Erste zu wissen, ist unvergleichlich.

In ihrer Freizeit erholt sie sich gern an der frischen Luft. „Früher war kein Berggipfel vor mir sicher.“ Ihrer einjährigen Tochter zuliebe hätten sie und ihr Mann aber nun Steigeisen und Pickel gegen den Picknickkorb für die Ausflüge ins steirische Hügelland eingetauscht.

Zur Person

Anita Emmerstorfer-Augustin (33) hat an der TU Graz Technische Chemie mit Schwerpunkt Biotechnologie studiert. 2014 dissertierte sie dort zur Herstellung von Duftstoffen in Hefen. Von 2016 bis 2018 forschte sie an der University of California, Berkeley (USA). 2018 kehrte sie an die TU Graz zurück, wo sie seit Jänner eine Forschungsgruppe zum Lipidhaushalt in Zellmembranen leitet.

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