Abhängen mit Abstand. Der Domino Park in Brooklyn mit Blick auf Manhattan; aufhalten darf man sich nur auf den weiß markierten „Inseln“.
USA

New Yorks emotionaler Neustart

Langsam erwacht der Corona-Hotspot wieder zum Leben. Das Trauma ist spürbar, die Vorsicht groß. Von Normalität ist die Stadt weit entfernt, die Zukunft teils unklar.

Immerhin, der Lärm ist zurück. Knapp drei Monate, nachdem New York zum Stillstand gekommen war, läuteten die Behörden vergangene Woche einen äußerst vorsichtigen Wiederbeginn ein. Die „Phase eins“ hat begonnen, 400.000 Menschen haben die Arbeit wieder aufgenommen. Geöffnet sind unter anderem die Baustellen, mehr als 33.000 an der Zahl. Kräne auf Wolkenkratzern drehen sich, Lastwagen rattern über die maroden Straßen, Presslufthämmer knattern. Wäre der Lärmpegel das Kriterium, könnte man glauben, dass in New York City alles wieder normal ist.

Nicht nur das: Auch Bars und Geschäfte dürfen ihre Rollläden wieder hochfahren, sofern Getränke und Waren ausschließlich am Gehsteig verkauft werden und die Kunden gleich weiterziehen. Ob beim Central Park in Manhattan, vor dem Flushing Meadows Park in Queens oder in der Nähe des Fort Greene Park in Brooklyn: Die New Yorker treffen einander jetzt nicht in Lokalen, sondern am Gehsteig, ehe sie durch die geöffneten Grünanlagen spazieren – mit alkoholischen Getränken in der Hand. Was eigentlich verboten ist, ist zur Norm geworden. Mittlerweile gab selbst Bürgermeister Bill de Blasio durch die Blume zu verstehen, dass die Polizei derzeit Besseres zu tun habe, als das sonst im Freien geltende Alkoholverbot zu überwachen.

Mehr als 30.000 Menschen sind durch die Lungenkrankheit Covid-19 im Bundesstaat New York gestorben, der Großteil davon in der gleichnamigen Metropole. Am Höhepunkt im März gingen die Gesundheitsbehörden davon aus, dass in New York City bis zu 25 Prozent der Menschen an Corona erkrankt waren. Gouverneur Andrew Cuomo rief den Notstand aus, Präsident Donald Trump entsandte das Navy-Hospitalschiff USNS Comfort nach Manhattan, die Army ließ das Konferenzzentrum Javits Center in ein Krankenhaus umbauen, um der außer Kontrolle geratenen Epidemie Herr zu werden. Bilder von Kühl-Lkw, in denen Tote zwischengelagert werden mussten, weil die Leichenhallen überfüllt waren, gingen um die Welt.

Womöglich folgenschwere Proteste

Das Corona-Trauma ist allgegenwärtig, kaum jemand in der Stadt, der nicht jemanden kennt, der schwer erkrankt war oder gestorben ist. Während im Großteil der USA die Wirtschaft längst wieder schrittweise losgelegt hat, zeigte sich de Blasio in New York City äußerst vorsichtig. Mit Argusaugen beobachten er und seine Gesundheitsberater die Infektionszahlen, zumal die Phase eins der Wiederöffnung mit den Protesten gegen Polizeigewalt zusammenfällt. Zehntausende Menschen ziehen seit zwei Wochen täglich durch die Stadt, oft ohne Masken, und halten die Mindestabstände nicht ein. Auch innerhalb des Polizeiapparats hat de Blasio große Schwierigkeiten, die Maskenpflicht umzusetzen, viele Cops decken Mund und Nase nicht ab – obwohl der Bürgermeister dies als „inakzeptabel“ bezeichnet.

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