Literatur

Spannender als die Wirklichkeit: Krimi um die Ermordung Olof Palmes

Acht Jahre Recherche investierten Kerstin Danielsson (l.) und Roman Voosen in die Krönung ihrer Krimi-Saga.
Acht Jahre Recherche investierten Kerstin Danielsson (l.) und Roman Voosen in die Krönung ihrer Krimi-Saga. (c) Linn Salgado
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Dem deutsch-schwedischen Autorenduo Voosen/Danielsson gelang ein Coup: Ein superber Krimi rund um Palmes Ermordung, rechtzeitig zum offiziellen Ende der Ermittlungen.

Das Glück ist mit den Tüchtigen: Dieser Satz drängt sich angesichts des jüngsten Krimis des schwedisch-deutschen Autorenduos Kerstin Signe Danielsson und Roman Voosen auf. So sahen die Autoren das allerdings nicht. Voosens erster Gedanke war: „Oh, nein! Da recherchieren wir acht Jahre an der Lösung eines fast unlösbaren Geheimnisses, und dann kündigt die Polizei plötzlich die Aufklärung an.“

Letzten Endes aber dürfen Voosen und Danielsson zufrieden sein. Erstens gelang ihnen ein literarischer Coup. Ihr Thriller „Die Taten der Toten“ rund um die Ermordung des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme erschien zeitgleich mit der offiziellen Beendigung der 34 Jahre dauernden Ermittlungen. Noch wichtiger aber: Das Buch mit seiner gekonnten Mischung aus Fakten und Fiktion ist wesentlich spannender als die Wirklichkeit.

Die Ermordung Olof Palmes ist ein Trauma, das Schweden nie verwunden hat. Einerseits, weil ausgerechnet der Ministerpräsident dieses sicheren Landes auf offener Straße erschossen wurde – nach einem Kinobesuch am 28. Februar 1986, in Begleitung seiner Frau, die bei dem Attentat leicht verletzt wurde. Andererseits kam es vielen Schweden verdächtig vor, wie gründlich die Polizei die Ermittlungen verpfuschte. Die beiden Kugeln etwa wurden erst am nächsten Tag von Passanten gefunden. Das nährte eine Flut von Theorien, darunter auch die des Einzeltäters, für den sich jetzt die schwedische Staatsanwaltschaft offiziell entschied, und zwar in der Person des im Jahr 2000 aus dem Leben geschiedenen Versicherungsgrafikers Stig Engström – allerdings ohne neue Beweise oder die Tatwaffe vorzulegen. Eine Enttäuschung für viele, die sich endlich die Lösung dieses Rätsels erwartet hatten.


Die Tatwaffe im Tresor. Voosen und Danielsson geben sich in „Die Taten der Toten“ mit dieser Version nicht zufrieden. Das Buch bildet den Höhepunkt der Reihe rund um das Team der Kriminalkommissarin Ingrid Nyström und nimmt den Faden nach einem Anschlag auf Nyströms Kollegin Stina Forss auf, den diese nur knapp überlebt hat. Forss beschließt daraufhin, ihren Selbstmord zu inszenieren, um jenen mächtigen Gegnern zu entkommen, die ihr mit allen Mitteln einen bestimmten Gegenstand abjagen wollen: die Smith & Wesson Magnum, die sie im Tresor ihres verstorbenen Vaters fand und mit der offenbar der Mord an Palme verübt worden war.

Aus dieser (vermeintlich) sichersten aller Deckungen heraus bittet Forss ihre engsten Kollegen, ihr bei der Suche nach den Hintermännern zu helfen. Das sind neben der von allen bewunderten Chefin, Ingrid Nyström, noch Lars Knutsson, ein gemütlicher Bulle der alten Schule, der Computerprofi Hugo Delgado und die ehemalige Soldatin Annette Hultin. Jeder der Kollegen übernimmt einen Ermittlungsansatz im Fall Palme: Knutsson folgt der „Polizei-Spur“ rund um rechte Zellen im Sicherheitsapparat, Hultin der Einzeltäter-These, die sich auch mit Stig Engström beschäftigt, und Delgado der südafrikanischen Geheimdienst-Theorie. Forss und Nyström versuchen, möglichst viel Material über Forss' verstorbenen Vater auszugraben, der einer mysteriösen Eliteabteilung des schwedischen Militärs angehörte.

Voosen und Danielsson sehen sich in der Tradition schwedischer Krimi-Autoren mit sozialem und politischem Bewusstsein wie Sjöwall/Wahlöö oder Stieg Larsson. Ihre Recherchen sind penibel. Nicht ohne Grund fehlt die Absicherung, dass jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen rein zufällig sei. Alles, was in „Die Taten der Toten“ geschrieben wurde, steht dort mit Absicht.


Informativ und spannend. Die Autoren verweben eine Fülle an Informationen und gesellschaftlichem Hintergrund mit fiktiven Elementen zu einem außerordentlich spannenden Thriller, in dem auch Kommissar Zufall seinen Auftritt hat. Erzählt wird in kurzen Abschnitten und mit ständigem Perspektivenwechsel, was mitunter irritiert, aber auch für Tempo und Spannung sorgt – vor allem, je mehr sich die Ermittlungsstränge einander annähern.

Neu Erschienen

Roman Voosen/Kerstin Signe Danielsson

Die Taten der Toten

Kiepenheuer & Witsch

480 Seiten, 12,40 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2020)

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