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James Hunter: 13 neue Songs im lässigen Nostalgie-Mix

Jessie Perez Huntsman
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Amerikanern die eigene Musik zu verkaufen, das praktiziert die britische Band The James Hunter Six. „Nick Of Time“ mischt R&B, Soul, Gospel und Electric Blues.

„Wenn man auf einen Stil fixiert ist, der zeitlich oder räumlich fern ist (manchmal beides), ist der Anhänger unausweichlich zum Unauthentischen verurteilt“, behauptet Musikautor Simon Reynolds in „Retromania“. Er hat wohl noch nie die Musik des aus der Grafschaft Essex stammenden James Hunter gehört. Dieser britische R & B klingt, als stamme er aus der goldenen Backhendlzeit des Genres in den USA. Da klingt so manche Ballade nach dem 1964 erschossenen Sam Cooke.

Trotzdem singt ein durch und durch Heutiger. All die großen Gefühle, die Hunter in seine raue Musik einwebt, sind tagesaktuell. Das spüren seine Hörer. Das war in den Neunzigerjahren so, als Hunter in kleinen Clubs wie dem 100 Club in der Oxford Street auftrat. Van Morrison entdeckte und förderte ihn. Einige Jahre war er Sidekick in Morrisons Konzerten. Und das ist seit 1996 so, als Hunter sein Debüt „Believe What I Say“ gab, das noch am ehesten das war, was abschätzig epigonal genannt wird.

Erinnerungen an die British Blues Invasion in den USA

Danach hat sich Hunter aus den alten Schablonen neue Entwürfe gezeichnet. Mit Alben wie „The Hard Way“ und „People Gonna Talk“ glückten ihm hochwertige künstlerische Statements jenseits aller Fragen nach Authentizität. Seit 2013 agiert er unter dem Bandnamen The James Hunter Six, was wohl die Verbundenheit der Musiker untereinander betonen will. Und tatsächlich produziert die britische Kombo einen derart innigen Sound, dass sie 2016 vom amerikanischen Soullabel Daptone unter Vertrag genommen wurde. Seither zieht sie ihre Erfolgsspur im hart umkämpften US-Markt, was selige Erinnerungen an die sogenannte British Blues Invasion weckt, als Bands wie John Mayall's Bluesbreakers, The Yardbirds, The Animals und The Rolling Stones die USA eroberten.

„Nick of Time“, das bereits vierte Werk von The James Hunter Six, das auf Daptone veröffentlicht wurde, verdient umfassendes Lob. Es erfreuen 13 Songs, die R & B, Soul, Gospel und Electric Blues lässig mischen. Die frischen Melodien und erdigen Grooves sind allesamt mit analogem Equipment im kalifornischen Studio von Daptone eingespielt worden.

Wichtigstes Instrument: Hunters charismatische Stimme

Das wichtigste Instrument im Klangbild ist Hunters charismatische Stimme, die trotz mancher Ähnlichkeit zu Sam Cooke und Otis Redding durchaus eigen ist. So, wenn sie giftdurchtränkt klingt, wie im von einem Rumbarhythmus angetriebenen Opener „I Can Change Your Mind“, einem idealen Vehikel für Hunters amourösen Idealismus. Statt, wie im Genre üblich, die Kehrseiten des urbanen Lebens zu romantisieren, meiden die Helden seiner Lieder alles, was nicht direkt zur Liebsten führt.

„Nick of Time“ bezirzt durch edle Klänge und formschön gebaute Songs, deren Wirkung bestem Handwerk zu verdanken ist. Rasante Songs wie „Ain't Goin' up in One of those Things“ locken das Tanzbein. Anmutiger aber sind die Midtempo-Songs wie „Take It as You Find it“, zu denen sich auch trefflich paartanzen lässt. Hunters beseelte, klar in Ästhetiken der Vergangenheit fußende Songs widerlegen letztlich Adornos alte Philosophenweisheit, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt, spielerisch. Nostalgie ist bei Hunter lebendige Gegenwart..

The James Hunter Six: „Nick of Time“ (Daptone)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2020)

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