Morgenglosse

Wenn Diktatoren über die EU lachen

Weißrusslands Präsident Lukaschenko während einer Videokonferenz
Weißrusslands Präsident Lukaschenko während einer Videokonferenzimago images/ITAR-TASS
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Just während einer Videokonferenz mit den EU-Spitzen lässt Weißrusslands Autokrat Lukaschenko seinen stärksten politischen Gegner verhaften: ein weiterer Beleg für die weltpolitische Verzwergung der Union.

Eine der traurigeren Veranstaltungen im Reigen der Brüsseler Konferenzen sind die Gipfeltreffen mit den sechs Staaten der sogenannten Östlichen Partnerschaft. Ukraine, Moldawien, Weißrussland, Armenien, Georgien, Aserbaidschan: allesamt möchte man sie nicht der EU beitreten lassen, zugleich aber nicht vergraulen und vollends in die Arme des Kreml treiben. Also trifft man sich in regelmäßigen Abständen, mahnt strukturelle Reformen und Bekenntnisse zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ein, und sichert nicht unbeträchtliche Finanzhilfen aus dem EU-Budget zu. Seit einem Jahrzehnt dümpelt dieses Format dahin, ohne echte, tiefgreifende Veränderungen zu bewirken. Die Östliche Partnerschaft zeigt, was für ein Leichtgewicht die EU auf der Weltbühne ist, sogar in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft.

Doch was am Donnerstagabend passierte, schlägt dem Fass den Boden aus. Denn just, als Ursula von der Leyen und Charles Michel, die Chefs von Europäischer Kommission und Europäischem Rat, nach ihrer Videokonferenz mit den Spitzen der sechs östlichen Nachbarn zu den Medien sprachen, wurde bekannt, dass der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko seinen schärfsten Rivalen bei der Präsidentschaftswahl am 9. August verhaften ließ. Der Ex-Bankier Viktor Babariko sitzt nun wegen angeblicher illegaler Geschäftspraktiken in Untersuchungshaft - ebenso wie mehrere Oppositionelle, die in jüngster Vergangenheit dem Regime Lukaschenkos, das laut dem Demokratie-Index des „Economist“ als autoritär einzustufen ist, in die Quere gekommen waren.

Lukaschenkos Chuzpe ist atemberaubend. Mitten während all der salbungsvollen Worte der EU-Spitzen Michel und von der Leyen über Grundrechte und faire Wahlen den schärfsten Gegner wegzusperren: deutlicher kann man seine Verachtung für die Union nicht zeigen. Und wieso sollte der Zyniker Lukaschenko sich auch um die Tugendappelle aus Brüssel scheren? Seinen Preis hat er bereits erhalten: Visafreiheit ab dem 1. Juli. Welcher Teufel hat Kommission und Rat geritten, dem längstdienenden Diktator Europas dieses Wahlzuckerl zu schenken? Vielleicht begräbt der zuständige Kommissar und Vertrauensmann Viktor Orbáns, Olivér Várhelyi, nun wenigstens seinen törichten Glauben, die Zeit sei günstig für eine Annäherung an Minsk. So oder so ist der Schaden angerichtet - und all die großspurigen Ankündigungen von der Leyens, eine „geopolitische Kommission“ führen zu wollen, um jene „Weltpolitikfähigkeit“ zu erlangen, von der ihr Vorgänger Jean-Claude Juncker fabulierte, ihrer Fadenscheinigkeit überführt.

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