Präsidentenwahl

Der Kampf um die Seele Polens

Andrzej Duda lässt sich in der Provinz schon als Sieger feiern. Am Mittwoch empfing ihn Donald Trump im Weißen Haus.
Andrzej Duda lässt sich in der Provinz schon als Sieger feiern. Am Mittwoch empfing ihn Donald Trump im Weißen Haus. (c) via REUTERS (AGENCJA GAZETA)
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Aus dem Solo des konservativen Amtsinhabers Duda ist ein Zweikampf geworden. Die Liberalen unter Trzaskowski holen auf. Es wird wohl eine Stichwahl nötig sein.

Warschau. Auf dem Rathausdach positionieren sich sieben Scharfschützen. Der zentrale Platz der beschaulichen 4300-Einwohner-Stadt Serock, 40 Kilometer nördlich von Warschau, füllt sich. Rund um die Bühne gruppieren sich Duda-Anhänger mit Plakaten, dazu Kinder mit Polen-Fähnchen. Ein Aktivist der Regierungspartei PiS peitscht Sprechchören ein: „Duda! Duda!“

Andrzej Duda trifft mit halbstündiger Verspätung mit seinem „Duda-Bus“ ein und lobt die Bewohner des Städtchens überschwänglich. Serock sei wichtig, um bereits in der ersten Runde am 28.Juni zu gewinnen, behauptet der Präsident und hebt zu einer Lobrede auf den PiS-Sozialstaat an. „Endlich haben wir einen gerechten Staat“, sagt Duda. „Ihr habt mich vor fünf Jahren im Wahlkampf um Hilfe gebeten, und ich habe euch geholfen“, sagt er.

Anwalt der „kleinen Leute“

Duda wirbt für die traditionelle Familie aus Mann, Frau und Kindern, spricht von der Senkung des Rentenalters in der ersten Amtszeit, den Zusatzrenten, dem 2016 erstmals eingeführten Kindergeld und der Erhöhung des Mindestlohns. „Ich bin der Wächter des bisher Erreichten. Ich will weitermachen, damit ihr soviel wie in Westeuropa verdient und den gleichen Lebensstandard habt.“

„Wir danken! Wir danken!“, jubeln die rund 200 Versammelten. Doch hinten am Markplatz sind immer wieder Pfiffe zu hören. Dort hat sich eine Gegendemonstration des „Komitees zur Verteidigung der Demokratie“ (KOD) versammelt. Auf Transparenten fordern sie die Einhaltung der Verfassung und protestieren gegen die Polarisierung des Landes. „LGBT ist keine Ideologie, das sind Menschen“, steht auf einer mit den Regenbogenfarben verzierten Tafel. „Duda hilft mit, die Gewaltenteilung aufzuheben und eine autoritäre Herrschaft zu etablieren“, begründet ein lokaler Kosmetikproduzent seinen Protest. „Duda ist ein Albtraum“, sagt er und stimmt ins Pfeifkonzert ein. „Wir haben genug!“, hebt die Gruppe an.

„Da hinten steht der Pöbel aus Warschau“, schimpfen ein paar Duda-Anhänger unweit der Rednerbühne. Die aufgepeitschten PiS-Wähler bedienen sich desselben Vokabulars, mit dem Parteichef Kaczyński Anfang Juni im Parlament Abgeordnete der oppositionellen Bürgerplattform (PO) als „grober Abschaum“ betitelt hatte.
Die Wortwahl zeigt eine gefährliche Polarisierung in Polen. Sie hat noch zugenommen, seit der Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski Polens neuer Polit-Star geworden ist. Das liberale Bündnis KO (Bürgerplattform, Moderne und Grüne) hat die Wahlverschiebung genützt, um ihn als Spitzenkandidaten auf den Schild zu heben und Malgorzata Kidawa-Blonska (zwei Prozent) fallenzulassen. Seither ist aus dem Kampf des einsamen Favoriten Duda mit drei gleichwertigen Außenseitern ein Duell geworden. PiS gegen PO – wie schon seit 15 Jahren.

Duda ist in den Umfragen abgestürzt. Galt es Anfang Mai noch als wahrscheinlich, dass der Amtsinhaber bereits in der ersten Runde gewinnt, muss der Regierungskandidat sieben Wochen später mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Trzaskowski in der zweiten Runde am 12. Juli rechnen. PiS-Parteichef Kaczyński, Polens starker Mann, schiebt dafür die Schuld der Opposition in die Schuhe. Dabei aber waren es Widerstände im eigenen rechtspopulistischen Lager, die die Wahlverschiebung erzwungen hatten, allen voran der inzwischen zurückgetretene Vize-Regierungschef Jaroslaw Gowin.

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