Nostalgie-Reise von Wien bis in „unser“ Pula

Beethovens lautes Klavier, Titos Trauminsel Brioni, des Kaisers Kriegshafen: Eine Fahrt durch Istrien.

Das war 1817 zweifellos ein Spektakel im Hafen von Triest: Ausgeladen wurde ein riesiges Klavier von der Londoner Firma Broadwood & Sons, das nun mit einem Pferdegespann bis ins ferne Wien gekarrt werden musste. Der Besteller: Ludwig van Beethoven, bereits schwerhörig, daher auch das besonders lautstarke Klavier aus England.

Damals existierten zwar schon erste Pläne für eine Schienenverbindung des wichtigsten österreichischen Adriahafens mit der Reichshaupt- und Residenzstadt, doch erst 1857 fuhr der erste Zug der Südbahngesellschaft in Triest ein. „Istrien“ nennt sich der jüngste Band von Gregor Gatscher-Riedl, der seit Jahr und Tag die k.u.k.-Sehnsuchtsorte bereist und stets mit „fetter Beute“ heimkehrt. Auf über 300 prächtig illustrierten Seiten besuchen wir nach Triest die kleine venezianische Schwester Muggia, dann Piran, Bad Portorose, Rovinj, Inneristrien, Brioni, natürlich „unseren“ einstigen Kriegshafen Pula, schließlich Abbazia, den „Wintergarten“ der feinen Wiener Gesellschaft zur Jahrhundertwende.

Es sind die nostalgisch-poetischen Schilderungen Gatscher-Riedls, die den Reiz dieses Werks ausmachen. Porec etwa „schiebt sich wie ein steinerner Schiffsrumpf ins kristallklare Wasser.“ Hier tagte übrigens, wie uns der Autor belehrt, ab 1861 der Landtag der Markgrafschaft Istrien. Auch dies nehmen wir dankbar zur Kenntnis. Die Belesenheit des Autors ist allumfassend. So ergänzt er die Story von Josef Ressels revolutionärer Erfindung der Schiffsschraube, wie sie im Wiener Technischen Museum beschrieben wird: Ein Korkenzieher habe den gebürtigen Ostböhmen auf die Idee gebracht. Ja, aber wahrscheinlich bei einem Abendessen mit Freunden in dem mittelalterlichen Städtchen Motovun, spekuliert unser Autor: In den Forsten war Ressel als Inspektions-Waldmeister beschäftigt. 1826 beantragte der Beamte ein österreichisches Patent für seine Erfindung, doch nach zermürbendem Rechtsstreit musste Ressel die Schmach miterleben, dass 1840 das erste Schraubendampfschiff ausgerechnet unter englischer Flagge in den Hafen von Triest einlief.

Ein weiter Weg ist es, bis wir in Pula eintreffen. Nicht allein der einstige kaiserlich-königliche Kriegshafen interessiert unseren Wegbegleiter, sondern natürlich das Amphietheater. Obwohl die römische Kolonie Pula nur etwa 5000 Einwohner hatte, fasste die so gut erhaltene Arena bis zu 23.000 Zuschauer. Dem Venezianer Gabriele Emo verdanken wir, dass er 1583 den Abriss der Ruine verhinderte. Stein für Stein sollte das gigantische Bauwerk abtransportiert und am Lido in Venedig sollte neu erstehen. Heute können an die 5000 Personen in dem Rundbau Open-Air-Veranstaltungen verfolgen.

Ohne Kriegsflotte geht es nicht

Freilich: Ganz ohne Kriegsflotte geht es nicht. Dazu war die k.u.k.-Flotte zu groß (und teuer), daher der ganze Stolz der Monarchie. Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand war ein großer Förderer der Marine, wohl auch, weil er keinen intimen Bezug zu Finanzen besaß. Der sparsame Kaiser hingegen schon. Vielleicht ahnte er, dass die wuchtigen Schlachtschiffe im Ersten Weltkrieg absolut keine Rolle spielen würden. Sie waren in den istrischen Häfen eingesperrt und konnten nicht ins Kriegsgeschehen eingreifen. Am 1. November 1918 schließlich wurde das Flaggschiff „Viribus Unitis“ im Hafen von Pula versenkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2020)

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