Morgenglosse

Putins "verbesserte" Verfassung löst nicht Russlands Probleme

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Präsident Putin hat die Abstimmung über die Verfassungsänderung gewonnen. Aber insgesamt wird es für ihn schwieriger, Russland zu regieren.

Die Verfassungsabstimmung ist vorüber: Wladimir Putin darf bis 2036 Russland regieren. Rund drei Viertel der Wähler haben laut vorläufigem Ergebnis der Verfassungsänderung zugestimmt. Zweifellos gibt es viele Bürger, die nur dem derzeitigen Präsidenten die Führung ihres Landes zutrauen. (Sein Vorteil: Es gibt keinen ernstzunehmenden Konkurrenten für den Posten.) Am Wahltag wurde aber auch etwas anderes deutlich: Um ein Resultat zu erreichen, das Putins Pläne deutlich genug legitimiert, musste sich der gesamte Staatsapparat ins Zeug legen. Dabei wurden längst nicht nur gesetzeskonforme Methoden angewendet. Tricksereien, Manipulation und Druck auf die Wähler spielten eine nicht unwesentliche Rolle für den Erfolg.

Russland steht aktuell vor vielen Problemen. Die nun also „verbesserte“ Verfassung kann diese nicht lösen. Die russische Wirtschaft befindet sich schon länger in einer Rezession. Das Coronavirus hat die Sache nicht vereinfacht. Der Lebensstandard der Russen sinkt. Die Beziehungen zum Westen und zu den meisten Nachbarn liegen im Argen. Und im Inneren wächst die Proteststimmung. Das spürt auch der starke Mann im Kreml. Bei 59 Prozent lag im April und Mai die Unterstützung für den 67-Jährigen. Mittlerweile ist sie einen Prozentpunkt höher gerückt. Natürlich, demokratisch legitimierte Politiker können von solchen Zustimmungsraten nur träumen. Aber für einen Herrscher wie Putin ist es ein beunruhigendes Ergebnis. Sein Schlechtestes in 20 Jahren.

Bei der letzten großen Krise wählte er den Weg nach außen: Der ruchlose Schachzug der Krim-Annexion samt patriotischer Aufwallung rettete ihn. Die Begeisterung der Bürger für außenpolitische Abenteuer ist mittlerweile gesunken. Zuletzt hat sich der Kreml-Chef der als „Nationale Projekte“ betitelten Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur verschrieben. So wichtig und richtig Reformen im Gesundheitssystem oder die Digitalisierung auch sind: Sie sind kompliziert, mühsam und wenig eindrucksvoll. Damit kann ein Autokrat wie Putin nicht punkten. Zuletzt wirkte es, als wäre dem Kreml-Chef überhaupt sein Gespür für die Stimmung im Volk abhandengekommen.

Putin findet sich in einer Situation wieder, in der er seine großen Versprechen von Sicherheit, Stärke, Stabilität und Wohlstand nicht halten kann. Die Dauer seiner Herrschaft wird immer öfter zum Argument gegen ihn. Nicht wenige Bürger fragen sich: Wenn er es bis jetzt nicht geschafft hat, warum dann in den kommenden zehn oder 15 Jahren? Putin müsste jetzt überzeugende Antworten auf die Frage finden, warum ausgerechnet er Russland noch viele weitere Jahre führen soll. Vom Referendums-Ergebnis sollte er sich dabei nicht allzu blenden lassen.

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