Türkei

Freispruch für deutschen Menschenrechtler

Peter Steudtner (Archivbild 2017).
Peter Steudtner (Archivbild 2017).(c) APA/AFP/YASIN AKGUL
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Freispruch für Peter Steudtner drei Jahre nach seiner Verhaftung. Vier türkische Aktivisten müssen dagegen wegen Teilnahme an einem Menschenrechts-Seminar ins Gefängnis, ein Amnesty-Anwalt sogar für sechs Jahre.

Istanbul. Fast drei Jahre nach seiner Festnahme in der Türkei ist der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner am Freitag von einem Gericht in Istanbul freigesprochen worden. Vier der elf angeklagten Aktivisten wurden hingegen zu Haftstrafen verurteilt. Die Beschuldigten hatten an einem Menschenrechtsseminar teilgenommen, das von der türkischen Justiz als konspiratives Treffen von Staatsfeinden gewertet wurde. Der Anwalt und Ehrenvorsitzende der türkischen Sektion von Amnesty International, Taner Kiliç, soll wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation für sechs Jahre und drei Monate in Haft.

Steudtner sagte, mit dem Urteil werde die Menschenrechtsarbeit in der Türkei „massiv kriminalisiert“. Marko Beeko, Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, kritisierte die Urteile als politisch motiviert. „Es braucht jetzt deutliche internationale Reaktionen, auch die Bundesregierung muss von der Türkei eine Revision des Verfahrens und den Freispruch der Menschenrechtler einfordern.“

Die Staatsanwaltschaft hatte bei Steudtner sowie vier weiteren Angeklagten auf Freispruch plädiert, für die anderen sechs Beschuldigten jedoch bis zu 15 Jahre Haft verlangt. Das Gericht blieb hinter der Strafforderung zurück, folgte aber der Auffassung, dass Kiliç als „Terrorist“ zu werten sei. Drei Aktivistinnen – Özlem Dalkiran, Idil Keser und Günal Kusun – erhielten Strafen von je zwei Jahren und einem Monat wegen Beihilfe für eine Terrororganisation. Sieben andere Angeklagte wurden freigesprochen.

Auch wenn die Strafen milder ausfielen als von der Anklage gefordert, macht das Urteil doch klar, dass friedliche Arbeit von Menschenrechtlern in der Türkei als Terrorismus verfolgt werden kann. „Ein juristisch wie menschenrechtlich tragfähiges Urteil hätte nur auf Freispruch für uns alle lauten können“, sagte Steudtner laut Amnesty. „So werden wir jetzt weiter auf allen Ebenen gegen diese Ungerechtigkeit kämpfen.“

Schon vor dem Urteil hatte Özlem Dalkiran festgestellt, dass die Regierung und die Justiz ihr Ziel erreicht hätten: Allen Menschenrechtlern im Land sei seit den Festnahmen klar, dass sie einen Preis dafür zahlen müssten, wenn sie die Lage in der Türkei thematisieren, Konferenzen veranstalten oder Verbindungen ins Ausland haben.

Beziehung zu Berlin belastet

Steudtner und neun weitere Menschenrechtler waren im Juli 2017 auf der Insel Büyükada bei Istanbul während eines Seminars festgenommen worden. Kiliç befand sich zu dieser Zeit bereits in Haft; ihm wurde trotzdem vorgeworfen, das Treffen auf Büyükada geleitet zu haben. Steudtner wurde zu Prozessbeginn im Oktober 2017 freigelassen und durfte die Türkei verlassen, seitdem verfolgte er das Verfahren von Berlin aus. Seine Festnahme hatte die deutsch-türkischen Beziehungen erheblich belastet. Wie Steudtner waren auch die anderen Angeklagten in den fast drei Jahren des Prozesses nach und nach freigelassen worden. Ob die vier Verurteilten ins Gefängnis müssen, während sie die Entscheidung anfechten, blieb zunächst unklar. An der Urteilsverkündung nahmen Diplomaten aus Deutschland, der Schweiz, Schweden und Kanada als Beobachter teil.

Die Staatsanwaltschaft hatte Steudtner und die anderen Beschuldigten als staatsfeindliche Verschwörer in Haft nehmen lassen. In der teils absurden Anklageschrift wurde ihnen vorgeworfen, bei dem Workshop auf Büyükada für das Netzwerk des islamischen Predigers Fethullah Gülen intrigiert zu haben. Gülen wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich gemacht. Steudtner wurde dabei von einem anonymen Zeugen als „Frau um die 40 mit langen dunklen Haaren“ beschrieben, wie der Menschenrechtler im Deutschlandfunk sagte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2020)

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